Cash & Carry - USA kauften dem Osten Waffen ab

Die Internationale der Waffenschieber kannte schon lange keine ideologischen Grenzen mehr: Mal verscherbelten die Ceausescu-Brothers, mal der DDR-Schieberpapst Schalck-Golodkowski und seine Firma IMES modernstes sowjetisches Kriegsmaterial an CIA und US-Army  ■  Von Thomas Scheuer

Wenn's ums Geld ging, wurden die Fronten gewechselt: Mitglieder des Ceausescu-Clans haben über ein Jahrzehnt hinweg geheime sowjetische Waffensysteme an den Geheimdienst und das Militär der Konkurrenz verscherbelt. Dies berichtete die US-amerikanische Tageszeitung 'Washington Post‘ am Wochenende unter Berufung auf Aussagen hoher Geheimdienstler. Danach hat die US-Regierung im Rahmen eines von der CIA koordinierten Programmes über ein halbes Dutzend Mittelsmänner seit 1979 für Waffenlieferungen mehr als 40 Millionen US-Dollar an Rumänien bezahlt. Etwa ein Fünftel dieser Summe sei als Provision in Privat-Konti des Ceausescu -Clans bei Banken in Basel und Genf versickert. Den Rest kassierte die rumänische Handelsagentur Romtechnica in Bukarest.

Dafür lieferte diese den USA modernste sowjetische Waffensysteme und Komponenten, beispielsweise das Luftabwehrsystem Shilka, mobile Raketenabschußgeräte und Radarsysteme. In den USA analysiert und ausgewertet, hatte das Material für die dortigen Militäringenieure unschätzbaren Wert bei der Entwicklung eigener Waffensysteme.

Als Schlüsselfiguren bei den blockübergreifenden Waffenschiebereien nennen US-Geheimdienstler zwei Ceausescu -Brüder: Marin (71) verfügte als Chef der rumänischen Handelsmission in Wien über die Kontakte zur westlichen Schiebeszene. Er wurde am 28. Dezember im Keller der Mission erhängt aufgefunden. Generalleutnant Ilie Ceausescu (63) war als stellvertretender Verteidigungsminister und Sekretär des Politbüros für die Arrangements im heimischen Bukarest zuständig. Dort sitzt er seit dem Umsturz im Knast.

Laut 'Washington Post‘ versilberten auch Polen, die CSSR, Ungarn, Bulgarien und die DDR sowjetisches Militärgut im Westen. In den vergangenen zehn Jahren habe die US-Regierung in diesem Zusammenhang mehr als 250 Millionen Dollar ausgegeben. Ein Teil davon muß auch auf Konten des Ex-DDR -Devisenbeschaffers Schalk-Golodkowski geflossen sein. In seinem just am gestrigen Montag in Oslo erschienenen Buch Familien-Juwelen - Schweres Wasser, Waffen und CIA präsentiert der norwegische Journalist Arild Aspöy dafür Belege: viermal hob zwischen 1982 und 1985 eine Maschine der West Africa Airline (WAAL) vom Ostberliner Flughafen ab, jedes Mal vollgestopft mit Kriegsmaterial aus den Depots der Schalck-Firma IMES. Die Maschine mit der internationalen Registriernummer 9 GACX flog unter Charter der St. Lucia Airways, einer einschlägig bekannten CIA-Tarnfirma. Als Käufer der „Ware“ fungierte auf dem Papier die Firma „Tech Aid International“ in Panama, von der auch Querverbindungen zur Iran-Contra-Affäre führen.

Die End-User-Certificates waren auf Nigeria ausgestellt. Gleichwohl endeten alle vier Flüge auf US-amerikanischen Rollpisten. Beispielsweise auf dem Phillips Army Airfield nahe Baltimore; nicht weit davon liegt der „Aberdeen Testing Ground“, ein zentraler Forschungs- und Entwicklungskomplex des Pentagon. Diese IMES-Lieferungen in die USA, so die Recherchen Aspöys, waren Teil einer direkt aus dem Weißen Haus gesteuerten umfangreichen Operation, in deren Rahmen unter dem Codewort „Black Eagle“ in mehreren Ostblockstaaten Kriegsmaterial beschafft wurde.

Was Schalck-Golodkowskis Schieber damals an die Amis lieferten, bleibt vorerst im Dunkeln. Angesichts solcher Geschäftsverbindungen wird allerdings verständlich, wie glatt der Ostberliner Schieberpapst nach seiner Flucht aus Feindesland im Osten unter die schützenden Fittiche westlicher Geheimdienste schlüpfen konnte.

Doch die von der 'Washington Post‘ enthüllte CIA-Connection des Ceausescu-Clans ist nicht der einzige Kanal, über den rumänische Schieber brisantes sowjetisches Material auf den internationalen Schwarzmarkt schleusten. Auch der berühmt -berüchtigte Düsseldorfer Nuklearhändler Alfred Hempel - der übrigens ebenfalls oft und gerne auf die genannte WAAL -Maschine 9 GACX zurückgriff - bediente sich in Bukarest.

Über knapp zwanzig Jahre hinweg verschob Hempel hunderte Tonnen schweres Wasser unter Umgehung internationaler Kontrollbestimmungen in Länder wie Israel, Argentinien, Pakistan und Indien. Die haben allesamt den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet und beschaffen sich schweres Wasser, das als Moderatorflüssigkeit in Plutonium produzierenden Natururanreaktoren gebraucht wird, daher auf dem Schwarzmarkt. Als seine bisherigen Lieferanten in der UdSSR und China 1987 dem bereits mehrfach in die Schlagzeilen geratenen Düsseldorfer Schieber den Hahn abdrehten, sprang die rumänische Staatsfirma KIMIKA I. C. E. (International Chemical Enterprises) ein. Die in der Batlatelstrasse 11 in Bukarest ansässige Firma soll Elena Ceausescu gehört haben und u.a. im weltweiten Giftmüllhandel aktiv gewesen sein. Zwischen Juli und August 1987 verkaufte die KIMIKA über ihre gleichnamige Tochter in Vaduz/Liechtenstein insgesamt rund siebzig Tonnen schweres Wasser an Hempels Ableger ORDA AG im schweizerischen Zug. Die verschob das Zeug über die Briefkastenfirma Velsona in Monrovia/Liberia weiter nach Indien. Warenwert: 10.625.538. US-Dollar!

Transportiert wurde das schwere Wasser mit Maschinen der rumänischen Luftlinie am 24. Juli 1987 (Flugnummer RO 821) und am 14. August 1987 (Flugnummer RO 604) von Bukarest non -stop nach Bombay. In einem geheimen Report der deutschen Zollfahndung (Aktenzeichen: AB 555/88 - Bp Z 602) heißt es, das schwere Wasser stamme aus einem stillgelegten russischen Reaktor; die Deals seien von den Rumänen offenbar illegal und hinter dem Rücken der Sowjets abgewickelt worden.

In diesen Tagen bestätigte die Regierung in Bukarest, daß Rumänien 1986 auch zwölf Tonnen schweres Wasser aus Norwegen heimlich nach Israel weitergeleitet hat.