■ Cash & Crash: Starker Yen, schwacher Westen
Tokio (taz) – Wann immer es westlichen Wirtschaftspolitikern allzu vor den japanischen Exporterfolgen graust, erzählen sie sich ein Märchen, das inzwischen auch in Japan große Popularität erzielt. Dieses Märchen beginnt mit einem einfachen wirtschaftlichen Gesetz: Je höher der Kurs einer Landeswährung, zu desto höheren Preisen verkaufen sich die Produkte dieses Landes auf dem Weltmarkt. Folglich sinken die Exportchancen der Unternehmen dieses Landes.
Was nun die Sorgen vieler Westeuropäer und Amerikaner vor der Überlegenheit japanischer Unternehmen betrifft, so hatten unsere Wirtschaftspolitiker dadurch eine einfache Antwort parat: Wir festigen den Yen, dann werden die Japaner weniger exportieren!
Tatsächlich hat der Yen innerhalb der letzten zehn Jahre seinen Wert gegenüber Dollar und Mark mehr als verdoppelt. Daß der Yen nun in den letzten Wochen die Parität zum US- Penny erreichte, durfte vor allem uns Deutsche nicht überraschen. Denn vor gar nicht so langer Zeit, in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, mußte der Yen zunächst den Pfennig überrunden. Heute ist der Pfennig nur noch etwas mehr als die Hälfte eines Yens wert. Doch wer merkt das schon, welcher Deutsche kommt schon nach Japan, um den Wertverfall seiner Währung am eigenen Leib zu spüren?
Also kann sich das Märchen von der Yen-Aufwertung, die angeblich nur den Japanern Schmerzen und Leid zufügt, hartnäckig behaupten. Es verschafft unseren Politikern auf jedem Weltwirtschaftsgipfel eine Rund-um-Medizin und uns selbst eine Verschnaufpause. Bis die Japaner den erneuten Währungsschock überwunden haben und mit ihren Importautos wieder billiger sind als die hiesigen Hersteller, sollte eine gute Weile vergehen.
So lügen wir uns seit über zehn Jahren in die eigene Tasche. Denn nicht weil der Westen vorgibt, es politisch so zu wollen, sondern weil japanische Produkte immer besser werden, steigt der Yen. Alle Klagelieder, die die Japaner selbst über ihre starke Währung singen, sollten wir gehörigst als Propaganda abtun, die der Motivation des dort heimischen Firmenpersonals gilt.
Japans Bosse aber wissen, wofür eine starker Yen gut ist: zum Investieren, Forschen und Erschließen neuer Märkte in aller Welt. Worauf es ankommt. Georg Blume
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