■ Cash & Crash: Kapitalismus – eiskalt
Berlin (taz) – Politically correctes Speiseeis – und das als Geldanlage. Das ist der neueste Vorschlag des Herausgebers des alternativen Börsenbriefes Öko Invest. Nein, Max Deml rät nicht zum Ankauf von Eiskrem en gros, um auf steigende Preise im Falle eines Fortdauerns der Hitzewelle zu spekulieren. Vielmehr soll der sozial engagierte Anleger oder die Anlegerin Aktien einer US-Firma namens Ben & Jerry' s Homemade erwerben.
Die beiden Firmengründer, deren Vornamen wir erraten, brachten es von Eisdielenbetreibern in einer Vermonter Tankstelle zu Unternehmern mit fast 140 Millionen Dollar Jahresumsatz. Häagen Dazs wurde bei den Luxus-Eiskrems auf Platz zwei verdrängt. Das Erfolgsgeheimnis liegt in Mixturen wie Schoko- Erdnußbuttereis oder wohlklingenden (und hoffentlich -schmeckenden) Kreationen wie „Peace Pop“ oder „Wavy Gravy“ (lockige Sauce).
So weit, so klebrig, aber warum sollten wir ausgerechnet Aktien von Ben Cohen und Jerry Greenfield erwerben? Zum einen natürlich, um Geld zu verdienen. Zwischen 1990 und 1992 wurde der Aktienkurs um 500 Prozent nach oben katapultiert. Wenn solche Rekorde auch nicht mehr zu erwarten sind, so rechnet Öko Invest doch mit einer Verdoppelung des Aktienpreises innerhalb von zwei Jahren.
Zum anderen zwecks Gewissenshygiene. Ben und Jerry sind zwar Kapitalisten, aber mildtätige. Sie geben ihre Gewinne zum Beispiel nicht in toto an die Aktionäre weiter, sondern zahlen 7,5 Prozent davon in eine eigene Stiftung ein. Diese finanziert nicht die üblichen Wohlfahrtsvereine, sondern politische Gruppen, etwa eine Initiative gegen die Atommüllendlagerung auf Indianerland oder eine Vereinigung zur Altersversorgung von Homosexuellen. Einige ihrer knapp 100 Verkaufsläden werden von Menschen aus sozialen Randgruppen betrieben, eine Harlemer Eisdiele zum Beispiel von ehemaligen Obdachlosen.
Das Unternehmen zahlte sogar schon mal freiwillig höhere Preise an Milchfarmer, die nach Aufhebung staatlicher Subventionen vor dem Ruin standen. Zwar stammen die Rohstoffe für das Eis (nur natürliche Bestandteile) nicht aus Öko-Landbau. Aber immerhin zahlt die Firma lieber einen Aufpreis, um Milch zu bekommen, die nicht von Hormon-gedopten Kühen kommt. Derzeit wird eine Ökobilanz erstellt, um auf möglichst umweltfreundliche Produktions- und Transportmethoden umzustellen. Selbst an den Feminismus wird gedacht: Im Management beträgt der Frauenanteil 50 Prozent.
Seit Juni sucht das Unternehmen einen neuen Chef. Über 10.000 Bewerbungen trafen seither ein. Dies aber sicher nicht nur, weil der Job so attraktiv ist. Den Verlierern winkt nämlich als Trostpreis Gratis-Eis auf Lebenszeit. lieb
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