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■ Cash & CrashWenn Sie Geld brauchen ...

Berlin (taz) – Günther Fielmann braucht dringend Geld – und die Leute stehen Schlange, um es ihm zu geben. Nach den Billigbrillen sind nun die billigen Aktien seines Unternehmens der Renner: Acht- bis zwölfmal mehr Anteile, als es gibt, könnten die Banken verkaufen. Sogar in den Fielmannschen Brillenläden sucht die fehlsichtige Kundschaft nach Aktien – weshalb die Fielmann AG jetzt nicht mehr nur Augen-, sondern auch fünf Anlageexperten beschäftigt.

Das blinde Vertrauen der Kundschaft gegenüber dem Optik-Kartell zu zerstören, war der jetzige Brillenkönig in den 80er Jahren angetreten. Zum Krankenkassenpreis bot er erstmals tragbare Sehhilfen an und wurde damit reich. Ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis unterstellen die Anleger nun auch den Unternehmensanteilen, die ebenfalls, erstmals in der Bundesrepublik, besonders billig angeboten werden. Ihr Nennwert beträgt 5 Mark statt der üblichen 50 Mark, was auch den Verkaufspreis entsprechend niedrig halten wird. Wenn das Fielmann-Papier ab morgen an den Börsen von Frankfurt, Hamburg und Düsseldorf gehandelt wird, rechnet ein Sprecher der WestLB, die führende Bank bei der Aktienausgabe, mit einem Kursanstieg von vier Mark.

Wie jede Aktie ist aber auch die erste Billigaktie ein Risikopapier. Von den 227 Millionen Mark, die in Fielmanns Kassen kommen, kassieren die Banken für die Emission 10 Millionen, weitere 50 Millionen gehen an die Familie Fielmann. Der Rest kommt dem Unternehmen zugute, das nun, weil auf seinen westdeutschen Stamm-Märkten kaum noch Wachstum möglich ist, auch Berlin, Süddeutschland, Österreich und die Schweiz mit Filialen überziehen will. Dort hat allerdings manch ein Optiker bereits von Fielmanns Erfolg dazugelernt; das leicht zu unterbietende Preiskartell gibt es nicht mehr.

Bis 1998 will Fielmann den Umsatz von derzeit 840 Millionen Mark auf 1,4 Milliarden Mark und die Zahl der Filialen von knapp 300 auf 410 steigern. Das ist auch mit dem frischen Kapital kein Kinderspiel, zumal das Unternehmen laut Süddeutscher Zeitung bereits 227 Millionen Mark Bankschulden hat. Entsprechend empfiehlt es sich, die Lesebrille zum Studium des Aktienprospekts aufzusetzen. Darin stehen die Dividenden- Versprechungen von 1,50 Mark in diesem, 1,80 Mark im nächsten und zwei Mark im übernächsten Jahr ausdrücklich unter dem Vorbehalt, daß sich der Gewinn proportional zum Umsatz entwickelt – was in Expansionsphasen keineswegs selbstverständlich ist. Eine Kontrolle der Geschäftstätigkeit findet auch weiterhin allein von Fielmann statt, denn 75,6 Prozent des Kapitals gehören weiterhin der Familie. Zu ersten Dämpfern der Kleinsparer-Aktieneuphorie kam es bereits an den ersten Verkaufstagen. Denn die Dividendenaktien für 44,50 Mark wurden nur im Paket von mindestens 50 Stück angeboten. Die Aussicht, gleich 2.225 Mark an Fielmann zahlen zu sollen, erleichterte es manch einem Kleinanleger, zunächst die Kursentwicklung der ausverkauften Aktie ab morgen an der Börse abzuwarten. Donata Riedel

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