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■ Cash & CrashMarktpreise für Politiker

Berlin (taz) – Was genau Jean Arthuis von Alain Madelin unterscheidet, wissen selbst erfahrene Beobachter der französischen Politik nicht. Der eine scheint Premierminister Juppé sympathischer zu sein als der andere, der eine trat am Freitag als Finanzminister zurück, „überraschend“, wie es heißt, der andere folgt ihm nach. Wichtige Entscheidungen konnten beide noch nicht treffen. Die Einnahmen des Staates liegen im ersten Halbjahr um acht Milliarden Franc unter dem Niveau des Krisenjahres 1994, trotzdem will Frankreich seine Staatsschulden bis 1999 auf die Maastrichter drei Prozent des Bruttosozialproduktes senken.

Ein drastisches Sparprogramm ist die einzige Lösung des Problems. Leider hat Präsident Chirac den Wählern und Wählerinnen mit seiner neuen Sozial- und Arbeitspolitik das genaue Gegenteil versprochen. Jeder Finanzminister müßte unter diesen Voraussetzungen eigentlich zurücktreten, und die Devisenmärkte haben deshalb einen sehr präzisen Ausdruck für den Unterschied zwischen den Herren Madelin und Arthuis gefunden: Er beträgt 1,42 Pfennig. Vor Jean Madelins Rücktritt kostete eine deutsche Mark 3,4370 französische Franc, danach 3,4512.

Auch der französische Aktienindex sank um 1,8 Prozent, die Börse rechnet wahrscheinlich zu Recht damit, daß Frankreichs Regierung den Konflikt zwischen den Wahlversprechungen des Präsidenten und den Schulden des Staates noch längere Zeit nicht lösen wird. Der Wechsel von Regierungsmitgliedern beeindruckt ohnehin niemanden. Schon letzte Woche haben auffällig viele ausländische Kapitalgesellschaften ihre Beteiligungen am Mischkonzern „Générale des eaux“ verkauft.

Um mehr als ein Prozent sind am Montag aber auch die Aktien des Schweizerischen Bankvereins billiger geworden. Die Gründe haben mit „ausländischen Märkten“ zu tun, sagen Analysten. An den etwas pikanten Prozeßkosten kann es tatsächlich nicht liegen, die auf den Bankverein zukommen könnten. Am 21. August flatterte die gerichtliche Anordnung des Züricher Bezirksanwalts Peter Cosandey ins Haus, daß die „Vermögenswerte“ des philippinischen Staatspräsidenten Marcos „sofort“ herauszugeben seien. Peinlich, die Bank legte umgehend Widerspruch ein. Geschätzte 470 Millionen Dollar hatte der Diktator auf Schweizer Bankkonten einbezahlt. Der philippinische Staat möchte das Volksvermögen zurückhaben, das Schweizer Bundesgericht fordert aber, daß zuerst eine strafrechtliche Schuld des Kontoinhabers nachgewiesen werden müsse. Da Marcos inzwischen verstorben ist, fällt es der philippinischen Regierung überaus schwer, diese Forderung rechtsstaatlich zu erfüllen. Kein Grund also, Bankvereins-Aktien zu verkaufen, das Geld bleibt im Tresor. Niklaus Hablützel

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