■ Cash & Crash: Auf Tofu gebaut
Berlin (taz) – Gerüchte beflügeln das Geschäft an den Börsen. Nachdem die Fondsmanager und Anleger in den vergangenen Monaten Milliardensummen gebunkert hatten, haben sie seit ein paar Tagen weltweit wieder zugegriffen. Das ließ die Aktienkurse an den Weltbörsen am Montag in die Höhe schießen. Der Dax kletterte wieder über die 5.000- Punkte-Marke, und der amerikanische Dow Jones kam erstmals seit 17. Juli auf über 9.300 Punkte. Der Niedergang ist aufgehalten, jubeln die Analysten.
Denn eine alte Börsenregel sagt: Kaufe Gerüchte, verkaufe Fakten. Und Gerüchte kursierten am Montag in den Brokerstuben zwischen New York und Frankfurt reichlich: über die Fusion von Deutscher Bank und Bankers Trust, die Übernahme von Netscape durch America Online sowie über die Fusionen diverser kleinerer US-Firmen. Die Banken- und Computerbranchen reizten am Montag die Broker denn auch besonders.
Doch die Gerüchte waren zu wacklig, die Angst vor Verlusten zu groß. Eilig verkauften die Broker gestern wieder ihre Bankentitel und drückten den Dax bis Mittag auf 4.991 Punkte. Der schnelle Gewinn war ihnen damit sicher, doch den müssen sie wieder anlegen und werden damit anderswo die Kurse in die Höhe treiben. Für kurzfristige Anlagen zur Gewinnmitnahme eignen sich die Börsen in Asien. Dort könnten die Kurse niedriger nicht sein.
Allerdings warnen Kenner, daß sich die wirtschaftliche Situation in Seoul, Bangkok oder Tokio im Grunde nicht geändert habe. Der neue asiatische Boom ist auf Tofu gebaut.
Da bleibt nur noch die Wall Street. Und New Yorks Broker sprühen schon vor Optimismus: Der Dow Jones könne bis Ende des Jahres auf 10.000 Punkte steigen, bis zum Jahr 2000 gar auf 12.000. Vorausgesetzt, die Weltwirtschaft erholt sich. Doch von einer Rezession spricht zur Zeit niemand mehr. Ulrike Fokken
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