CSU vor der Europawahl: Die Rückkehr der alten Säcke
Für die CSU wird es knapp mit dem Einzug ins EU-Parlament. Ausgerechnet die ausgemusterten Ex-Parteichefs Stoiber und Waigel sollen für frischen Wind sorgen.
DEGGENDORF taz | Das Programm zur Europawahl haben die CSU-Delegierten auf ihrem Sonderparteitag einstimmig abgenickt. Jetzt sollte zum Abschluss in der Deggendorfer Stadthalle die Bayernhymne ertönen. Doch die Boxen bleiben stumm. So fängt Generalsekretär Alexander Dobrindt ohne Begleitung an zu singen. "Gott mit dir, du Land der Bayern", brummt Dobrindt. Den Text kann er auswendig. Nur die Töne klingen merkwürdig. Dobrindt singt die Melodie des Deutschlandliedes.
Auch wenn Bayerns große Patriotenpartei schon eine ganze Weile vor sich hin schlingert - dass die CSU-Chefs die Melodie ihrer eigenen Hymne verwechseln, ist eine ganz neue Dimension der Unbeholfenheit. Vier Wochen vor der so wichtigen Europawahl präsentiert sich die CSU als zutiefst verunsicherte Partei.
Weil die CSU nur in Bayern antritt, droht das Scheitern an der bundesweiten Fünfprozenthürde. Parteichef Horst Seehofer beschwichtigt zwar und sagt: "Das ist eine Gespensterdiskussion, und mit Geistern sollten wir uns nicht beschäftigen." Doch eine aktuelle Umfrage im Auftrag der ARD sieht die CSU nur hauchdünn im Parlament, mit 6 Prozent. Rückschlüsse auf das Wahlergebnis sind diesmal besonders schwierig. Nur 35 Prozent der Bürger wollen nach einer anderen Umfrage sicher zur Europawahl gehen. Um dem lahmenden Wahlkampf zumindest etwas Schwung zu geben, machte man beim Parteitag zur Europawahl am Samstag gleich zwei CSU-Vorsitzende aus grauer Vorzeit zu Hauptdarstellern: Exfinanzminister Theo Waigel und Edmund Stoiber.
Der war bei seinem letzten Auftritt auf einem CSU-Parteitag im Oktober noch ausgebuht worden. Pausen werden mit "Ähs" gefüllt, Nebensätze enden im Nichts. Stoiber ist ganz der Alte. Diesmal buht niemand. Immerhin. Bei der Europawahl sei die CSU konkurrenzlos, ruft Stoiber. Die anderen Parteien hätten zwar auch fleißige und kompetente Kandidaten. Aber die kämen in der Regel nicht aus Bayern. Stoiber: "Es ist nicht möglich, dass die CSU aus dem europäischen Parlament herausfällt."
Draußen am Imbiss klingt das ganz anders. Dort erzählen CSU-Delegierte, der Wahlkampf laufe zäh wie nie. Die Wähler ließen sich kaum mobilisieren, die wankelmütige Agrarpolitik der Partei den Bauern auf dem Land kaum vermitteln. Drinnen im Saal redet derweil der Spitzenkandidat Markus Ferber. Viele der Delegierten nutzen das für eine längere Pause. Am Stand mit den Flugblättern im Foyer gibt es zwar Alexander-Dobrindt-Autogrammkarten, aber keine mit Markus Ferber darauf. Andere der Spitzenkandidaten verteilen zu Beginn des Parteitages kleine Werbegeschenke an die Delegierten - Pfefferdosen und kleine Weinflaschen mit ihrem Namen und ihrem Foto - damit wenigstens die eigenen Parteimitglieder sich ihre Gesichter merken. Für die Wähler ist das umso schwieriger. Das einzige bayernweit plakatierte CSU-Porträtfoto zur Europawahl ist das von Parteichef Horst Seehofer selbst. Ein anderes Plakat wirbt für die Senkung von Steuern. Doch darüber wird im europäischen Parlament gar nicht entschieden.
Dabei gäbe es in der CSU noch Menschen, die sich ernsthaft für die Europapolitik begeistern können. Die EU und die Einführung des Euro haben geholfen, dauerhaft den Frieden zu sichern, sagt Theo Waigel. Er sei stolz auf die Rolle der CSU bei der europäischen Einigung.
Doch der aktuelle Parteichef interessiert sich für so große Zusammenhänge kaum. Horst Seehofer spricht bei seiner Rede lieber von Steuersenkungsplänen der Bundesregierung, vom Kurzarbeitergeld und Kinderfreibeträgen. Die Europawahl erwähnt er nur mit wenigen Sätzen. So klingt einer, der sich schon mitten im Bundestagswahlkampf befindet.
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