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■ CSU: Protzner denkt über eine Wahlniederlage der Union nachTolerierter Stillstand

Die Union richtet sich auf eine Niederlage ein. Mag der Kanzler auch die Zuversicht verbreiten, im kommenden Bundestag werde die jetzige Koalition wieder ihren alten Platz einnehmen, die zweite Reihe hält sich lieber an die Umfrageergebnisse. Und die sind aus Sicht der Union katastrophal. Fraktionschef Wolfgang Schäuble war der erste, der die Partei auf den Tag danach vorbereitete, als er in seinem neuesten Buch „Und sie bewegt sich doch“ eine Große Koalition ablehnte.

Bernd Protzner, Generalsekretär der CSU, geht noch weiter. Er hat die praktischen Konsequenzen aus einer Niederlage gezogen. Wenn die SPD nach der Bundestagswahl stärkste Partei werden sollte, dann müsse die Union einen Kanzler Gerhard Schröder notfalls tolerieren. Selbstverständlich hat Protzner dabei von Bedingungen gesprochen und sie geschickterweise nicht präzisiert. Protzners Alternative, würde sie Realität, wäre für die Bundesrepublik ein Novum. Plötzlich wären jene italienischen Verhältnisse da, vor der gerade die Union aus Gründen der Staatsräson warnt. Zur Erinnerung: In Rom mußte kürzlich die Mitte-links-Minderheitsregierung bei der Abstimmung über die Nato-Osterweiterung ihre Mehrheit bei einer Gruppe liberal-konservativer Abgeordneter suchen, weil die Altkommunisten sich als Tolerierungspartner verweigerten und auch die oppositionellen Rechtsparteien sich enthielten.

Ist ein solcher Vergleich zu weit hergeholt? Man muß sich nur einmal folgende Konstellation vorstellen: Nach dem 27. September ist die FDP nicht mehr im Bundestag, Rot-Grün hat keine Regierungsmehrheit – es sei denn, sie ließe sich mit der PDS ein. Nun käme die Stunde der Union. Von Fall zu Fall – so Protzner – würde sie dann festlegen, ob sie die neue Minderheitsregierung toleriert. Wenn es hakt, müßte sich Rot-Grün also Stimmen bei der PDS suchen. Täte sie es, hätte die Union praktisch bewiesen, was sie im Wahlkampf mit ihrer Rote-Hände-Aktion polemisch behauptet: Schröders Opportunismus macht auch nicht vor den SED-Nachfolgern halt.

Dazu wird es aber nicht kommen, weil eine PDS- Liebäugelei im Westen der Republik nicht verstanden wird. Der SPD bliebe letztlich nur der Ausweg, sich den Wünschen der Union zu beugen. Protzner könnte sich freuen. Die SPD wäre dort, wo er sie hinhaben will – eine Geisel der Union. Das Ergebnis wäre dasselbe wie in einer Großen Koalition. Nur der Name wäre ein anderer: Tolerierter Stillstand. Severin Weiland

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