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CSU-Klausurtagung in Wildbad KreuthAuf ins Schlachtgetümmel

Früher verbreitete die CSU vom Tegernsee aus Angst und Schrecken. Heute fürchtet sie sich hier eher vor sich selbst. Denn der Ort ist ideal für Intrigen.

Still noch ist es im Tagungsort in Wildbad Kreuth. Bild: reuters

Es wird Opfer geben. Köpfe werden rollen, offener Streit wird ausbrechen, dreckige Intrigen werden gesponnen. Es wird vernichtende Artikel hageln und desaströse Umfrageergebnisse. Nach allen Prognosen dürften die nächsten Tage bei der CSU also recht unterhaltsam werden.

Ab heute treffen sich die Abgeordneten der steil nach unten trudelnden Partei - erst die Bundes-, dann die Landtagsfraktion - zu ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth am Tegernsee. Das macht die CSU seit 1976 jedes Jahr. Früher lehrte sie dann mit tollkühnen Beschlüssen die restliche Parteilandschaft regelmäßig das Fürchten. Diesmal müssen die CSUler eher vor sich selbst Angst haben, so martialisch lesen sich die Vorberichte in den Zeitungen des Freistaats. Der bayerische Umweltminister Markus Söder sammle bereits "seine Truppen", meldet die Münchner tz. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg könne "im Kreuther Bergkessel nichts ausrichten", so die Abendzeitung, denn er sei "am Hindukusch gebunden".

Dabei wirkt der Ort, an dem all das Schlachtgetümmel stattfinden soll, recht friedlich. Langgezogen und prunkvoll liegt das Bildungszentrum der parteinahen Hanns-Seidel-Stiftung in einem Tal hoch über dem Tegernsee. Von Mönchen 1511 als Heilbad erbaut, ließ der bayerische König Max Joseph 1818 ein protziges Kurhaus für Europas Elite errichten. Kaiser und Zaren kamen zur Wildjagd und zur Kur ins abgelegene Kreuth.

Der Weg in den nächsten Ort ist weit. Die Politiker schlafen in einfachen Zimmern ohne Fernseher und andere Ablenkungen. Es gibt nur das Tagungshaus und viel verschneite Landschaft. Das ist furchtbar idyllisch, aber auch ein wenig langweilig. In so einer Umgebung kommt selbst der drögste konservative Politiker irgendwann auf abwegige Ideen.

So wie 1976. Damals fällte die CSU-Landesgruppe in Kreuth den legendären Trennungsbeschluss. Die CSU solle in Zukunft nicht nur eine bayerische Regionalpartei sein, sondern der großen CDU bundesweit Konkurrenz machen, verkündeten die Bayern damals aufmüpfig. Vollzogen wurde der Beschluss nie. Aber er war gut fürs Image. Wann immer die CSU von da an ihren bundesweiten Geltungsanspruch formulierte, berief man sich gerne auf den "Kreuther Geist". Die Klausurtagung nutzten die CSUler traditionell zum Holzen Richtung Hauptstadt. Die Partei formulierte hinter verschlossenen Türen ehrgeizige Konzepte und Forderungen. Die vor der Tür wartenden Journalisten verbreiteten sie bundesweit. So machte die CSU fast dreißig Jahre erfolgreich Bundespolitik.

Dann verloren die Bürger das Vertrauen in die Erfolgspartei. Die Abgeordneten bekamen es mit der Angst zu tun und begannen zu rebellieren. Seitdem ist Kreuth zum Problem für die CSU geworden. Die Journalisten berichten statt der kernigen Klausur-Beschlüsse heute lieber über die internen Streitereien. 2007 grummelten die Landtagsabgeordneten über Edmund Stoibers abgehobenen Führungsstil als Parteichef und Ministerpräsident. Am Ende der Klausurtagung musste Stoiber zurücktreten. Seine Parteifreunde Erwin Huber und Günther Beckstein hatten in Kreuth endlich einmal Zeit gefunden, seine Ämter unter sich aufzuteilen.

Doch trotz des erbärmlichen Bildes hält die CSU weiter an ihrer Kreuther Kraftmeierei fest. Erst vor wenigen Tagen forderten CSU-Abgeordnete einfach mal so den Posten des Vizekanzlers für ihre Partei - und ernteten dafür viel Spott. Die CSU sei eine Gefangene ihrer "Omnipräsenz- und Omnipotenz-Illusion" schreibt nun selbst der traditionell CSU-freundliche Parteienforscher Heinrich Oberreuter im traditionell CSU-freundlichen Münchner Merkur.

Die Tagesordnung für dieses Kreuth: Fraktionschef Georg Schmid soll abgesägt werden. Er war als Mitglied des Verwaltungsrats bei der Landesbank wie viele Parteigrößen für das Milliarden-Desaster mitverantwortlich. Schmid spricht an Rednerpulten aber auch gerne in weichen, sanft klingenden Sätzen. Viele CSUler hätten gerne einen kraftvolleren Fraktionschef. Als heißer Kandidat gilt Markus Söder. Er soll derzeit schon versuchen, sich per SMS-Nachrichten eine Mehrheit zu organisieren. Der Handyempfang in Kreuth ist trotz der Abgeschiedenheit auch ganz gut.

Ministerpräsident und Parteichef Horst Seehofer wird in Kreuth wohl nicht gestürzt werden. Aber er darf den Abgeordneten die aktuelle Meinungsumfrage erklären, die am kommenden Mittwoch erscheint. Dort wird die Union in Bayern sehr wahrscheinlich deutlich unter die Marke von 40 Prozent fallen. Ein Desaster für die CSU. Mal wieder.

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1 Kommentar

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  • SH
    Sören Harder

    Klasse Artikel! Endlich bekommt die CSU mal das, was sie verdient: eine gehörige Tracht verbaler Prügel. So lächerlich wie sich die Möchtegern-wichtig-sein-Partei (nicht erst) seit 1976 gibt, so wird sie in diesem spannend wie unterhaltend geschriebenen Beitrag dargestellt. Danke, Bernhard Hübner. Gerne mehr davon!