CO2-Werte bei Neuwagen: Klimaschweine "Made in Germany"
Die deutschen Autokonzerne präsentieren sich gern als Klimavorreiter - zu unrecht, wie neue Daten zeigen. Die Flotten vieler ausländischer Marken haben niedrigere CO2-Werte.
"Klimaschutz einfach gemacht: Einsteigen und losfahren" stand in großen
Lettern über den Zeitungsannoncen, die der Lobbyverband der deutschen
Auto-Industrie, VDA, vor ein paar Monaten in der Bild und anderen großen
Zeitungen schaltete. Silbrig glänzten da sieben Limousinen unter blauem
Himmel und Sonnenschein. "Dank neuester Technologien aus deutschen
Entwicklungsabteilungen", hieß es im Kleingedruckten latent
nationalistisch, "sind unsere neuen Autos besonders effizient,
spritsparend und umweltfreundlich."
Solche Image-Werbung hat die Branche nötig - denn beim Wettlauf um eine
klimaschonende Modellpalette tuckern Audi, BMW & Co. der ausländischen
Konkurrenz hinterher. Man sei "führend bei der CO2-Minderung", behauptet
VDA-Präsident Matthias Wissmann (CDU) gern, doch detaillierte Zahlen zur
Klimabilanz der Mitgliedsunternehmen veröffentlicht der Branchenverband
nicht. Auch die einzelnen Hersteller wimmeln ab: Nein, man gebe keine
Daten zum Kohlendioxid-Ausstoß der verkauften Neuwagenflotte heraus,
teilt eine VW-Sprecherin kühl mit. Audi antwortet auf eine entsprechende
Anfrage nicht einmal. Bei Porsche werden lediglich Zahlen aus den
aktuellen Katalogen genannt - aber welche Modelle welchem
Kohlendioxid-Ausstoß wirklich auf die Straße kommen, verrät auch der
Sportwagenbauer nicht. Beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg
liegen zwar sämtliche Daten vor, aber eine Auswertung nach einzelnen
Herstellern - gibt man dort hinter vorgehaltener Hand zu - werde vom
Bundesverkehrsministerium nicht gewünscht.
Das Greenpeace Magazin hat in seiner jüngsten Ausgabe erstmals
Detailzahlen veröffentlicht. "Wir wollten den deutschen Marken mal auf
den Zahn fühlen", erklärt Chefredakteur Jochen Schildt. Vom Hamburger
Beratungsbüro Ökopol habe man deshalb Statistiken des KBA und der
EU-Kommission auswerten lassen - mit durchaus überraschenden
Ergebnissen: Audi zum Beispiel hat mittlerweile eine schlechtere
Klimabilanz als Mercedes. Die verkauften Fahrzeuge der Ingolstädter
VW-Tochter steigerten den CO2-Ausstoß von 180,9 Gramm je Kilometer
(g/km) im Jahr 2002 auf 185,4 g/km (2007), bei Mercedes sank der Wert im
gleichen Zeitraum von 202,5 g/km auf 183,7 g/km. Dort macht sich
offenbar die erfolgreiche Ausweitung des Angebots nach "unten" durch die
relativ kleine A-Klasse bemerkbar.
Auch Ford (2007: 155,9 g/km) und Opel (158,6 g/km) verzeichneten in den
vergangenen fünf Jahren laut Greenpeace Magazin Fortschritte bei der
Senkung des CO2-Ausstoßes. Doch allesamt sind sie noch Welten entfernt
von einer Zusage aus dem Jahr 1998: Damals erklärten alle europäischen
Autokonzerne in einer "Freiwilligen Selbstverpflichtung", bis 2008 den
Durchschnittsausstoß ihrer Neuwagenflotte auf 140 g/km zu senken. Die
strengen Klima-Vorschriften für Autos, die von der EU-Kommission derzeit
geplant werden, sind eine Reaktion auf dieses Versagen.
Auch BMW hat seine Klimabilanz deutlich verbessert - und offenbar nicht
durch den Aufkauf der Marke Mini, denn dieser Effekt wurde ebenso wie
die Übernahme von Smart durch Mercedes von den Greenpeace-Gutachtern
herausgerechnet. Die Münchner konnten ihren Flottenausstoß offenbar
durch die Einführung der kleinen 1er-Baureihe und das Spritsparpaket
"efficient dynamics" senken. Den umgekehrten Weg ging Volkswagen: Hier
stieg der CO2-Ausstoß von 2002 (162,5 g/km) bis 2007 (166,7 g/km)
deutlich, was an neuen spritschluckenden Sportwagen wie Touareg und
Tiguan oder der Phaeton-Limousine liegen dürfte. "Der Volkswagen-Konzern
ist grün", hatte VW-Chef Martin Winterkorn am vergangenen Wochenende auf
dem Pariser Autosalon getönt. Doch in Wahrheit scheinen die sparsamen
BlueMotion-Varianten von Polo oder Passat, die VW in so gern nach vorn
stellt, bisher eher Nischenmodelle zu sein. Und auch Porsche, schon 2002
mit einem CO2-Flottenausstoß von 274,4 g/km jenseits von Gut und Böse,
legte in den vergangenen Jahren nochmals zu und kam 2007 auf 287 g/km.
Ein Grund dafür ist, dass Autos in den vergangenen Jahren immer schwerer
geworden sind - laut KBA stieg das Durchschnittsgewicht von
Pkw-Neuzulassungen seit dem Jahr 2000 um zehn Prozent auf heute 1.445
Kilogramm. Technologische Fortschritte wurden weniger dazu genutzt,
Spritverbrauch und CO2-Ausstoß zu senken, als Geschwindigkeit und
Motorenleistung zu erhöhen - letztere stieg laut KBA in den letzten acht
Jahren um 18 Prozent. "Die deutschen Hersteller haben sich seit den
neunziger Jahren darauf konzentriert, immer mehr Luxus und immer
PS-stärkere Motoren einzubauen", erklärt Gerd Lottsiepen, Experte beim
Verkehrsclub Deutschland VCD. Ökonomisch war das durchaus verständlich,
weil die Gewinnmargen bei teuren Fahrzeugen größer sind als bei
Kleinwagen: Audis A-8-Limousine wirft pro Stück ein Vielfaches des
(inzwischen wieder eingestellten) A 2.
Langfristig aber könnte die Modellpolitik den deutschen Herstellern noch
große Probleme bereiten: Hohe Benzinpreise und das beginnende Umdenken
der Konsumenten treffen sie besonders hart. Schon heute gilt Toyota mit
seinem Hybrid-Modell Prius in der Öffentlichkeit als Klimameister, zwar
nicht ganz zurecht, weil der kombinierte Benzin-Elektro-Antrieb
allenfalls im Stadtverkehr Effizienzvorteile hat. Bei den neuerdings
begehrten Kleinwagen aber sind ausländische Hersteller wie Fiat oder
Renault deutlich besser aufgestellt als Audi, BMW & Co. Die deutschen
Konzerne dagegen werden ihre Autos - überspitzt gesagt - fast nur noch
als Dienstwagen los: Fast 77 Prozent aller Audi-Neuzulassungen des
Jahres 2007 entfielen auf nicht-private Halter, bei BMW waren es 71
Prozent. Zum Vergleich: Toyota kam nur auf eine Dienstwagenquote von 45
Prozent, bei Renault war es gut die Hälfte. VW verkaufte im vergangenen
Jahr sogar 85 Prozent aller seiner Passats an Geschäftskunden - die
brauchen sich um hohe Spritpreise nicht zu kümmern, weil für sie
sämtliche Fahrzeugkosten in Deutschland bisher unbegrenzt steuerlich
absetzbar sind. Aus diesem Grund reagierte die deutsche Autolobby auch
so allergisch, als Umweltminister Sigmar Gabriel im Sommer einen neuen
Anlauf unternahm, um die Dienstwagenbesteuerung stärker nach dem
CO2-Ausstoß auszurichten, wie es in Großbritannien zum Beispiel schon
lange passiert ist.
Unter Hochdruck entwickeln die deutschen Hersteller nun kleinere und
sparsame Autos, aber es ist ein Wettlauf mit der Zeit. BMW-Chef Norbert
Reithofer dachte auf dem Pariser Autosalon öffentlich über
Werksschließungen nach. Mercedes hat bereits eine Verlängerung der
Winterferien angekündigt, um die Produktion zu drosseln. Welche Zukunft
der ganzen Branche drohen könnte, wenn sie nicht umsteuert, zeigt ein
Blick nach Amerika: In hellen Scharen laufen Ford, Chrysler und General
Motors mit ihren spritfressenden Blechungetümen die Kunden davon, und um
den Ruin der heimischen Auto-Industrie noch abzuwenden, gewährt die
US-Regierung zinsgünstige Milliarden-Darlehen.
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