: CNN, diesmal von unten
■ Ein alternatives News Programme für VideofilmerInnen
Einen Berufstip der besonderen Art offerierte kürzlich das amerikanische Kult-Medienmagazin Wired. Mit einer kleinen Anzeige auf Seite 79 wurden „VJs“ gesucht. Wer allerdings glaubte auf eine Stellenanzeige von MTV gestoßen zu sein, wurde enttäuscht. Nicht nach „Video Jockeys“ für den Musiksender, sondern nach „Video Journalists“ für ein alternatives News Programme wurde gefahndet. „CamNet“, ein Medienprodukt am kalifornischen Venice, bot VideofilmerInnen den Einstieg in ein spannendes TV-Unternehmen an: CNN von unten.
Judith Binder und Nancy Cain, Initiatorinnen und „Verlegerinnen“ des Projektes, arbeiten seit langem an ihrer Vision eines „Fernsehens der Alltagsbilder“. Ende der achtziger Jahre realisierten sie auf dem „90's Channel“, einem kleinen unabhängigen Kabel in Boulder/Colorado, eine alternative Nachrichtenshow mit dem Titel „The 90's“. Über das öffentliche Fernsehsystem PBS gelangte diese Mischung aus Offenem Kanal und Medienwerkstatt Freiburg in über eine Million Kabelhaushalte. Das Public Broadcasting hat seine Unterstützung mittlerweile eingestellt, und die beiden „Videoverlegerinnen“ sind mit „CamNet“ wieder bei den Privaten gelandet.
Sie sammeln das eingeschickte Videomaterial, sichten es und edieren daraus kleine Zwei- bis Dreiminutenstücke, aus denen sie eine aktuelle Newsshow zusammenstellen. Dabei unterziehen sie die footage einer strengen Qualitätskontrolle gemäß den „CamNet“-Prinzipien: „Keine Talking Heads, keine Anchormen oder Anchorwomen – erzähl die Geschichte, wie sie sich zugetragen hat!“
Im Mittelpunkt der Sendung stehen die in den großen Programmen „ausgefallenen“ Ereignisse, kleine Sozialreportagen oder Personenportraits. Mit Produktionskosten von etwa 1.000 Dollar pro Sendestunde ist dieses aktuelle Programm der (Alp-)Traum jedes TV-Unternehmers, dennoch auch weitgehend ein Zuschußbetrieb. Werbekunden schreckt das harsche television verité eher ab.
Trotzdem haben sich in der Vergangenheit auch immer mal wieder Fernsehgiganten für das Produkt interessiert. Time Warner, Fox und CBS Late Night streckten ihre Fühler aus. Zur Zeit scheint ein nicht genannter mittelgroßer Konzern ernsthafte Absichten bezüglich des telegenen Schmuddelkindes zu hegen. Dort könnte „CamNet“ in Form einer täglichen Late Night Show erscheinen. Gunter Becker
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen