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Archiv-Artikel

CIA-GEFANGENE: DIE UNION MUSS IHREN REALITÄTSSINN SCHÄRFEN Vom Umgang mit Freunden

Eine Regierungsbeteiligung kann gelegentlich Lernprozesse beflügeln. Vereinzelt sind nun Stimmen aus den Unionsparteien zu hören, die finden, dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier in den USA die Berichte über geheime Gefangenentransporte der CIA mit Zwischenlandungen in Deutschland ansprechen sollte. Wenn sich diese Ansicht in CDU und CSU durchsetzen würde – bislang kann davon keine Rede sein –, dann wäre das ein erster Schritt hin zu einem gewissen Realitätssinn im Blick auf internationale Beziehungen. Es würde bedeuten, dass inhaltliche Konflikte mit dem mächtigen Verbündeten immerhin für möglich gehalten und deren öffentliche Erörterung künftig nicht als schlechtes Benehmen gewertet werden. Das wäre doch schon mal was.

In den letzten Wochen und Monaten haben Angela Merkel und mit ihr fast die gesamte Union den Eindruck erweckt, es gehe im Verhältnis zu den USA ausschließlich um gute Umgangsformen und gar nicht um die Sache. Kontinuität in der Irakpolitik ist geplant, auch in Zukunft sollen keine deutschen Soldaten in das Krisengebiet entsandt werden. Versprochen. Aber – so Merkel – es sei falsch gewesen, den Streit über den Irakkrieg im Wahlkampf zu thematisieren. Mit Freunden könne man anders reden. Kann man durchaus. Aber manchmal sehen Freunde die Dinge sogar nach dem nettesten Gespräch immer noch anders als man selbst. Und dann?

Dann muss man Farbe bekennen. Auch wenn viele Details im Zusammenhang mit dem Transport, dem Aufenthaltsort und der Behandlung von Gefangenen der USA noch ungeklärt sind: Die Indizien für Menschenrechtsverletzungen sind zahlreich. Schon länger sinnieren Politiker in Washington schließlich laut, ob der Begriff der Folter nicht enger definiert werden müsse als bisher. Zahlreichen Inhaftierten wird der Status von Kriegsgefangenen verweigert. Die Proteste dagegen waren bisher zu leise. Wenn nun auch noch Flughäfen auf deutschem Boden für Menschenrechtsverletzungen genutzt werden, ist spätestens der Zeitpunkt erreicht, wo Tacheles geredet werden muss. So geht man mit Freunden nämlich nicht um. Und mit Feinden auch nicht. BETTINA GAUS