CHRISTIANE MÜLLER-LOBECK LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Deutschland riesig Knochenland
Zeitnah zum Verbot der Demo Hooligans vs. Islamisten in Hamburg liegt Naime Çakirs Untersuchung „Islamfeindlichkeit – Anatomie eines Feindbildes in Deutschland“ (Transcript, Bielefeld 2014) auf dem Tisch. Zur Anatomie gehört ja, dass man Knochen, Fleisch und Knorpel zu unterscheiden weiß.
Leider wird bei Naime Çakir recht angestrengt der Nachweis geführt, dass Islamfeindlichkeit aus demselben Gewebe sei wie Rassismus. Beide werden nur als Geisteshaltung verhandelt. Institutionelle oder strukturelle Aspekte? Fehlanzeige.
Und zusammen mit Wilhelm Heitmeyer und Co. wundert sich Naime Çakir, dass unter den Feinden des Islam „auch Personen aus der politischen Mitte beziehungsweise dem linken Spektrum zu finden“ waren. Deutschland riesig Knochenland.
Man muss nicht unbedingt annehmen, dass es links von ultrarechts keinen Rassismus gibt. Aber das Staunen würde doch vielleicht ein Ende nehmen, wenn man mal auseinanderhielte, dass die – in der Regel mit einer großen Portion Suggestion beforschte – Islamfeindschaft oder Islamophobie in Wahrheit ganz unterschiedliche Haltungen umfasst.
Darunter schlicht allgemein antireligiöse (Fleisch), aber auch die Ablehnung nicht der Menschen, sondern der antidemokratischen Überzeugungen (Knorpel), in deren Namen wild gewordene Pseudomuslime ganze Cliquen arbeitsloser Jugendlicher rekrutieren, um von Nahost aus gegen Regierungen zu Felde zu ziehen, die ebenfalls nicht demokratisch sind.
Die hiesige Migrations- und Rassismusforschung schreibt unisono die Rekrutierbarkeit manch eines Migrantensohns – Akademikersprech: „passgerecht wirkende Angebote von Ersatzidentitäten“ (Klaus J. Bade) – aufs Konto von „Othering-Diskursen“. Die soziale Lage spielt natürlich auch eine Rolle. Nur erklärte das nicht, warum das Gros der Jungs und Mädels in kläglicher sozialer Lage, die schon mal mit einem Vertreter des Weltislam verwechselt wurden, nicht in einem Killerverein mitmachen. Dort werden Köpfe abgeschnitten, und wir hier fassen uns an die eigene Nase.
In Frankreich übrigens wird mehr rekrutiert, während Islamophobie weniger verbreitet ist. Der wahre Rassistentross ist längst weitergezogen.
Immerhin: Die Aussicht auf Studien zur Anatomie der „Salatfistel-Phobie“ stimmt erwartungsfroh.
■ Die Autorin lebt als freie Journalistin in Hamburg Foto: privat