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Archiv-Artikel

CHRISTIAN BUSS DER WOCHENENDKRIMI Alle gaffen, niemand hilft

Jeder stirbt für sich allein: Diese Aussage hat im Zeitalter von Handyfilmchen und Videoseiten im Netz ihre Wahrheit eingebüßt – und so steht im Mittelpunkt dieses „Tatorts“ ein Internetfilm, der eine tödliche Massenkarambolage auf der Autobahn zeigt. Auf das YouTube-Dokument stößt Ermittlerin Lindholm (Maria Furtwängler) bei ihren Untersuchungen zu einer Reihe von Sniper-Morden. Die grob gepixelten Bildern dokumentieren die traurigsten Auswüchse menschlicher Sensationsgier: Alle gaffen, niemand hilft.

So ist es auch, wenn die Ermittlerin die Tatorte betritt, an denen der Scharfschütze seine scheinbar wahllos ausgesuchten Opfer hingerichtet hat: Da hängt dann schon immer eine Traube von Passanten rum, die mit dem Handy die Crime-Scene checken. Doch wer die Welt ständig als Setting für sein eigenes Video sieht, der kann schon mal den Überblick über Fiktion und Wirklichkeit verlieren.

Homevideo kills Humanity? Ein großes Thema haben der Regisseur Friedemann Fromm und die Krimiautorin Astrid Paprotta („Feuertod“) mit ihrer ersten gemeinsamen „Tatort“-Produktion angepackt. Doch die Verknüpfung von Morden und Medienkritik funktioniert nicht wirklich. Dabei geht es so gut los: Als Lindholm dem Braunschweiger Dezernatsleiter Kohl (Felix Vörtler) vor die Nase gesetzt wird, murrt dieser nur ironisch: „Und Sie denken sich jetzt ins Gehirn des Snipers rein?“

Zudem wurde anfänglich gerade auf die übliche Sniper-Folklore verzichtet. Statt importierten Profiler-Sprech zu rezitieren, sondiert Lindholm lieber die sozialen Zusammenhänge. Schade nur, dass schließlich dann doch die aus US-Serienkillerthrillern bekannten Zitatbotschaften auftauchen und die Kamera ständig wackelnd aus der Heckenschützenperspektive Unruhe verbreitet. Damit auch der Blödeste sagen kann: Sniper, ick hör die trapsen.

Hannover-„Tatort“: „…es wird Trauer sein und Schmerz“, So., 20.15 Uhr, ARD