CHINA: KEIN WIDERSPRUCH ZWISCHEN KOHLE UND KIOTO : Tote Kumpels lassen Atomindustrie hoffen
203 Tote bei den Kumpels der mandschurischen Kohlestadt Fuxin, ausgerechnet dort, wo der chinesische Premierminister Wen Jiabao vor zwei Jahren Neujahr im Schacht feierte – das kostet Peking Nerven. Zumal sich die großen Grubenunglücke in China häufen: Im ganzen Jahr 2004 kosteten Arbeitsunfälle in Chinas Kohlebergwerken über 6.000 Menschen das Leben. So entsteht der Eindruck, den Kommunisten seien die Kumpels in den staatlichen und privaten Bergwerken egal.
Der Westen fördert diesen Eindruck. Er lobt die chinesische Regierung für ihren Beitritt zum Kioto-Protokoll, das heute in Kraft tritt, und verlangt von ihr, weniger Kohle zu verbrennen, um Chinas heute schon absehbaren Aufstieg zum größten CO2-Emittenten der Welt zu bremsen. Kein Tag vergeht, an dem nicht die Vertreter westlicher Großkonzerne in Peking hausieren gehen, um Chinas angeblich unvermeidbaren Kohleausstieg in bare Münze für die westliche Atomindustrie zu verwandeln. Die Volksrepublik ist ihre letzte Hoffnung auf neue Investitionen. Also ist jeder tote Kumpel in China für die AKW-Befürworter ein guter Kumpel, denn er scheint die Alternative Atomkraft glaubwürdiger zu machen. Nicht viel anders geht es denen, die China vom Nutzen der erneuerbaren Energien überzeugen wollen. Sie alle sagen: Je weniger Kohle China verbrennt, desto besser. Die Kumpels kommen auch in ihrer Rechnung nicht vor. Als wären sie ein notwendiges Opfer für einen besseren weltweiten Klimaschutz.
Das Gegenteil ist richtig. Für ein besseres Klima müsste Peking vor allem in Kohle und Kumpels investieren. Noch immer deckt China drei Viertel seines Energiebedarfs mit diesem Energieträger, und sein Anteil an der Gesamtproduktion wird im kommenden Jahrzehnt nicht wesentlich sinken. Deshalb liegt der Schlüssel zur Begrenzung des chinesischen CO2-Ausstoßes auf absehbare Zeit in sauberer Kohletechnologie. Die aber wird es in China auf breiter Basis nicht geben, solange nicht in die ganze unterentwickelte Branche massiv investiert wird. Mehr Geld für die Kumpels wäre in China mehr Geld fürs Klima. GEORG BLUME