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CDUPardon für den Plagiator

Die Uni Potsdam hat Florian Graf den Doktortitel entzogen. Trotzdem darf der Fraktionschef der Union mit breiter Unterstützung bei der Vertrauensfrage rechnen.

Florian Graf, ohne alles (titelmäßig). Bild: dpa

Er habe eine zweite Chance verdient. Nur wer ohne Schuld sei, werfe den ersten Stein. Und: Das Votum für Florian Graf werde eindeutig sein. Kurz vor der Vertrauensabstimmung konnte man in der CDU-Fraktion fragen, wen man wollte – keiner wollte Graf aus dem Amt jagen, jeder ging von Pardon für den Fraktionschef aus. Der hatte bei seiner Doktorarbeit gepfuscht, Fehler eingestanden und sein weiteres politisches Schicksal in die Hände seiner Fraktion gelegt.

Am Mittwochnachmittag entschied der Promotionsausschuss der Uni Potsdam: Florian Graf muss fortan auf den „Dr.“ verzichten. Erst am Freitag war bekannt geworden, dass Graf bei der Universität selbst beantragt hatte, ihm den 2010 verliehenen Titel wieder zu entziehen. Die Hochschule hatte von Graf zuvor eine Klärung offener Fragen zu seiner Dissertation verlangt. Am Montag bestätigte Graf, auf 7 von 209 Seiten abgeschrieben zu haben, ohne deutlich zu machen, dass es sich um Zitate handelte. Am heutigen Donnerstag um 8.30 Uhr nun trifft sich die 38-köpfige Unionsfraktion im Abgeordnetenhaus. Einziger Tagesordnungspunkt: Grafs Plagiatsaffäre.

Knapp eineinhalb Stunden sind für die Aussprache samt Vertrauensfrage vorgesehen. Laut Fraktionssprecher Michael Thiedemann gibt es keine bestimmte Mehrheit, von der Graf seinen Verbleib im Amt abhängig macht. Gegenüber der taz bezeichneten es mehrere Fraktionsmitglieder als entscheidend für ihre Unterstützung, dass Graf anders als der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sein Vergehen nicht erst scheibchenweise eingestand. „Ich fand es gut, dass er gleich reinen Tisch gemacht hat“, sagte Burkhard Dregger, seit Herbst Fraktionsmitglied. Nichts anderes war von Uwe Lehmann-Brauns zu hören, Kanzleikollege des zurückgetretenen Justizsenators Michael Braun, der Graf für Offenheit lobte. Gottfried Ludewig sagte: „Wir reden doch hier nicht über Guttenberg Nummer zwei.“

Keine Lust auf Streit

Nur selten klingt durch, dass der Union ein Führungswechsel – immer verbunden mit einer nicht einfachen Neuaustarierung der Kräfte innerhalb der Fraktion – sehr ungelegen käme. Es gebe keine Lust auf Streit, sagte einer. So etwas überlässt die CDU derzeit lieber der SPD, in der der Machtkampf zwischen Landeschef Michael Müller und seinem Herausforderer Jan Stöß fast alles andere überlagert.

Die Lage könnte anders aussehen, wenn sich ein Nachfolger aufdrängen würde – das ist nicht der Fall. Grafs Stellvertreterin Cornelia Seibeld gilt zwar als kompetent – hat es aber vor einigen Monaten abgelehnt, Justizsenatorin zu werden. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sie zur Verfügung stünde.

Hält die Fraktion Graf wie erwartet im Amt, wäre das nicht das erste Mal, dass sie einem der ihren eine Schummelei nachsieht. Anfang 2006 hatte der Abgeordnete Mario Czaja eingestanden, dass sein Titel „Diplom-Ökonom“ in Deutschland nicht anerkannt sei. Das hinderte die CDU nicht daran, Czaja nur wenige Monate später zum parlamentarischen Geschäftsführer zu machen und ihm Ende 2011 das Amt des Gesundheits- und Sozialsenators anzuvertrauen.

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4 Kommentare

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  • F
    Friederike

    Die Plagies gehen einem einfach nur auf den Nerv.

     

    Wäre doch einfacher, man macht einen Aufruf:

     

    Wer nicht gekupfert hat, bitte melden. Und dann ne Fernsehsendung drüber mit Tine Wittler oder einer anderen schrillen Schrulle und fertig.

    Ist doch eh alles nur Einheitsbrei- egal wo. :-)

  • Y
    yberg

    ises ne straftat

     

    kommt jetzt auch noch die selbstanzeige?

    wird die staatsanwaltschaft von sich aus tätig,

    oder geniest herr graf welpenschutz.

     

    finde es nach wie vor gut,daß er den doktor-keinesfalls von sich aus,die uni hatte sich ja gemeldet-zurückgibt und er den job in der fraktion weitermachen kann.

     

    ein andenken öffentlichrechtlich sollte ihm jedoch, wie jedem ladendieb auch,verpaßt werden.

  • A
    Andrea-s

    Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz:

    Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

     

    Herr Graf ist - wenn auch freigestellter - Verwaltunsgbeamter. Als solcher hat er einen Eid auf die freiheitlich demokratische Grundordnung (FDGO) der Buendesrepublik Deutschland geschworen. Bestandteil dieses Eides ist demnach die Einhaltung und der Schutz der Rechts- und Werteordnung der Bundesrepublik (zu der übrigens auch Berlin gehört Herr Graf!!!). Herr Graf ist auch auf den Grundsätzen der FDGO gewählter Abgeordneter. Auch als dieser ist er qua GG an der Verfassung verpflichtet. Das scheint aber weder ihn, noch seine willfährigen Vasallen von der CDU-Fraktion in irgendeiner Form zu interessieren. Innerhalb der CDU scheint sich Hr. Graf ja in bester Gesellschaft zu befinden.

     

    Der Schulterschluss innerhalb der CDU-Frakton täuscht allerdings nicht darüber hinwegt: Durch diesen Akt des vorsätzlichen Betrügens hat er nicht nur die Fundamente der FDGO, auf die er seine eigene berufliche Existenz gründet, mit Füßen getreten, er hat auch seinen Eid gebrochen.

    Damit hat er jede Existenzberechtigung innerhalb von Legislative, Exekutive und Judikative auf Bundes-, Komunal- und Landesebebene auf Lebenszeit verwirkt. Und alle CDU-Vasallen, die ihm das Vertrauen ausgesprochen haben müssten eigentlich wegen vorsätzlicher und nachhaltiger Schädigung der FDGO ebenfalls ihren Hut nehmen. Mit ihrem Verhalten haben sie den großflächigen Betrug salonfähig gemacht.

     

    Auch wenn dieses Verhalten innerhalb der Parteien mit dem C am Anfang nichts Neues ist (Herr Kohl durfte ganz offen und ohne jedwede Konsequenzen die Gesetze mit Füßen treten und galt lange Jahre dennoch als gern gesehener Gast auf Politik-Events, Hr. von und zu Guttenberg wird immer noch als fehlende Kerngröße gehandelt), jeder Einzelfall ist ist einfach nur Wiederlich....

     

    Mir fällt dazu nur eins ein: organisierte Kriminalität

  • VL
    vergessene Liebe

    Herrlich ! Ein `ehrlicher Plagiator´ !!!

    Dass ist im Feld der akademischen Kultur, die da nur so

    wimmelt von Lügen und Pfusch... von durch Geld gekauften akademischen Titeln... so etwas wie ein hoffnungsvoller Lichtblick!

    Ausserdem ist ein akademischer Grad eindeutig kein

    Certifikat für moderne humanistische Haltungen - und

    kein Certifikat für `soziale Kompetenz´!

    Herr F. Graf könnte- durch seine Ehrlichkeit- in den Fokus von Überlegungen für einen Dr. h.c. gelangen?

    Wie verhält es sich denn mit der Dissertation zum Dr.phil. des einstigen Reichs-Propaganda Ministers, anerkannt von der Uni Heidelberg? Wie `plagiativ´ und menschlich unwürdig ist jene ????