CDU-Fraktionsvorsitzender: Schwarzer Bube pokert hoch
CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger meldet seinen Anspruch auf den Landesvorsitz an. Seine Partei reagiert verständnislos bis ungehalten. Jetzt braucht er Glück, um weiter mitspielen zu dürfen
Friedbert Pflüger will endlich trumpfen. Überraschend meldete der CDU-Fraktionsvorsitzende am Donnerstag seinen Anspruch auf den Landesvorsitz seiner Partei an. "Ich kann nur Regierender Bürgermeister von Berlin werden und das Vertrauen der Menschen in Berlin erwerben, wenn ich das Vertrauen meiner Partei erwerbe", sagte der 53-Jährige vor Journalisten.
Doch die Ankündigung wirkte nur kurz. Denn überrascht waren nicht nur die Journalisten, sondern auch Pflügers Parteikollegen - und die reagierten verständnislos bis ungehalten.
Denn auf dem Posten, den Pflüger sich wünscht, hat sich bereits ein anderer breitgemacht - Ingo Schmitt, Bundestagsabgeordneter und Kreisvorsitzender in Charlottenburg-Wilmersdorf. Und der denkt nicht daran, seinen Sessel zu räumen.
Entsprechend empört waren gestern viele Berliner CDU-Mitglieder, die sich in Dutzenden Mails an die Kreisverbände über den "Kamikaze-Kurs" des Fraktionsvorsitzenden empörten.
Der frühere CDU-Spitzenkandidat und Kreisvorsitzende von Reinickendorf, Frank Steffel, sagte in Richtung Pflüger: "Die Berliner CDU sollte sich mit dem politischen Versagen des Senats beschäftigen und weniger mit sich selbst."
Kai Wegner, Bundestagsabgeordneter und Kreisvorsitzender in Spandau, sagte der taz: "Ich halte es für unverantwortlich, neun Monate vor dem Landesparteitag im Mai solch eine Personaldebatte zu eröffnen. Wir liegen in Berlin in den Umfragewerten seit Monaten unten - und jetzt sollen wir uns über persönliche Wünsche von Herrn Pflüger unterhalten? Ich weiß nicht, wo das enden soll."
Steffel und Wegner waren gestern nicht die Einzigen, die empfindlich auf Pflügers Vorstoß reagierten. Hinter vorgehaltener Hand wollten einzelne Kreisvorsitzende und Fraktionsmitglieder gegenüber der taz gestern "nicht ausschließen, dass dieses Manöver Pflüger den Kopf kosten könnte".
Das sieht Pflüger anders. Der hatte seinen plötzlichen Vorstoß erst mit Gerüchten über einen Putschversuch gegen ihn begründet. Demnach hätten zum Schmitt-Lager gehörende Funktionäre bereits erwogen, Pflüger in einer der nächsten Fraktionssitzungen abwählen zu lassen.
Laut einem Bericht der Berliner Morgenpost habe Schmitt für Freitag zu einem vertraulichen Gespräch mehrere wichtige Kreischefs geladen, in dem das weitere Vorgehen abgestimmt werden solle.
Offiziell wollte dies am Donnerstag niemand kommentieren. Wegner sagte jedoch der taz: "Es ist richtig, dass wir derzeit sehr viele Gespräche führen." Von einem Putschversuch gegen Pflüger könne keine Rede sein. "Wer offenbar Herrn Schmitt aus dem Amt putschen will, das ist Herr Pflüger." Wie es um Pflügers politische Zukunft in Berlin steht, ist daher mehr als fraglich.
Hinter dem heftigen Streit um den Landesvorsitz verbirgt sich nicht zuletzt auch ein Richtungsstreit - zwischen Pflügers schwarz-grünem Kurs und dem Widerstand des konservativen Parteiflügels.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch