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CDU-Fraktion feuert PflügerDer Absturz eines Modernisierers

Die Berliner CDU-Fraktion hat ihren Chef Friedbert Pflüger gefeuert. Sein Nachfolger, Frank Henkel, ist ein klassischer Law-and-Order-Politiker. Die Bundes-CDU findet das "traurig".

Pflüger hatte bis zuletzt um Zustimmung unter den Abgeordneten geworben. Bild: dpa

Der Vordenker einer großstädtisch-liberalen Ausrichtung der Hauptstadt-CDU ist gestürzt: Die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat am Donnerstag ihren Vorsitzenden Friedbert Pflüger abgewählt. 26 der 37 Abgeordnete stimmten gegen Pflüger. Dessen Nachfolger wird Frank Henkel, der sich als Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion mit einem harten Kurs in der Innenpolitik profiliert hatte und Teil des konservativen Flügels der CDU ist.

Pflüger hatte bis zuletzt um Zustimmung unter den Abgeordneten geworben. Einzelne berichten, dass er sie geradezu angefleht habe, ihn weiter zu unterstützen. Nach der Abwahl sprach der sichtlich geknickte Pflüger mit gedämpfter Stimme von einem "Grundsatzstreit". Er hätte es als Niederlage empfunden, diesem Grundsatzstreit aus dem Weg zu gehen: "Ich habe heute meinen Posten verloren, aber nicht meine Selbstachtung." Er will jetzt einfacher Abgeordneter im Landesparlament bleiben.

Pflügers Nachfolger Frank Henkel steht für eine Law-and-Order-Politik und spricht eine kleinbürgerliche Klientel an. Er fordert mehr Geld für die Polizei und verteidigt die Beamten, wenn sie nach Ausschreitungen in der Kritik stehen. "Viele Gegenden haben sich zu verwahrlosten, rechtsfreien Räumen entwickelt", klagt er. Dem Senat aus SPD und Linkspartei wirft er in der Integrationspolitik "romantische Multikulti-Träume" vor.

Der offen ausgetragene Machtkampf in der Partei in den vergangenen Tagen hat bei vielen Abgeordneten und Parteifunktionären Spuren hinterlassen. Der Vorsitzende des CDU-Kreisverbandes Berlin-Pankow, Peter Kurth, sprach von einem "katastrophalen öffentlichen Erscheinungsbild". Die bisherige Form der Personalfindung habe "Klüngelcharakter" gehabt und sei "alles andere als überzeugend" gewesen. Der Parteivorsitzende Ingo Schmitt kündigte an, auf dem nächsten Parteitag im Frühjahr 2009 nicht erneut als Vorsitzender anzutreten. Ihm war vorgeworfen worden, für das schlechte Krisenmanagement in der vergangenen Woche mitverantwortlich zu sein.

Die Berliner CDU hat sich damit einmal mehr als Schlangengrube erwiesen. Seit 2001 hat sie drei Fraktionsvorsitzende verschlissen. Der gebürtige Hannoveraner Pflüger, der früher Redenschreiber bei Bundespräsident von Weizsäcker war, wechselte 2001 als Nothelfer in die Landespolitik, weil es in Berlin keinen geeigneten Herausforderer gegen Amtsinhaber Wowereit gab. Pflüger hatte dafür seinen Posten als Staatssekretär im Verteidigungsministerium aufgegeben. Sein Absturz sorgt auch überregional für Aufsehen. Der Chef der Bundestagsfraktion der Union, Volker Kauder, sagte: "Die Umstände, wie das in Berlin gelaufen ist, kann ich nur als traurig bezeichnen."

Auch die Hauptstadt-Grünen, in der einige über eine Jamaika-Koalition mit FDP und CDU spekuliert hatten, sind enttäuscht. "Mit der Abwahl von Friedbert Pflüger verabschiedet sich die Berliner CDU vom Modernisierungsprozess", so die Landesvorsitzende Irma Franke-Dressler.

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9 Kommentare

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  • KS
    Karl-Heinz Schmid

    Es ist jetzt die staatsbürgerliche Pflicht, die Berliner CDU im Jahre 2011 aus dem Parlament zu wählen. Erst wenn mangels Erreichen der 5%-Hürde keine geldbringenden Posten mehr zu vergeben sind, wird die Berliner CDU für ihre Versorgungsfälle unattraktiv.

     

    Die Formen der parteiinternen Machtausübung gemahnen an Klischees aus dem organisierten Verbrechen.

     

    Ich halte eine Beobachtung der Berliner CDU durch den Verfassungsschutz für genauso angebracht wie die Beobachtung der Ex-SED.

     

    Das deutsche Parteiengesetz verlangt auch parteiintern rechtsstaatliche Strukturen in Theorie und Praxis, insofern gibt es sehr wohl eine Handhabe dafür.

     

    Die Berliner CDU ist zur Zeit eine größere Gefahr für die Demokratie als die Ex-Kommunisten von der Linken oder die Neo-Nationalsozialisten von NPD und DVU. Denn ihre Führungsriege diskreditiert die demokratische Ordnung.

     

    Ich habe die Berliner CDU schon vor längerem verlassen und den Landesverband gewechselt, denn sonst wäre mir aus Gewissensgründen nur der Parteiaustritt geblieben. Mein Eintritt in die CDU vor über 25 Jahren war nicht zuletzt auch eine christliche Tat und von einem jedem anständigen Menschen eigenen Mindestmaß an Moral und Ehrverständnis getragen.

     

    Ob ich in der Partei verbleiben werde, hängt auch davon ab, ob und in welcher Form die CDU auf Bundesebene bereit ist, wirksam gegen die verantwortlichen Personen vorzugehen.

     

    Ich gehe davon aus, dass ich damit nicht nur für mich allein spreche.

  • AD
    Andreas Donati

    Friedbert Pflüger - Hoffnungsträger der CDU und der Oppositionsparteien - wurde gefeuert. Hier sind die Befindlichkeiten einzelner Personen offensichtlich gewichtiger, als das Signal an die Wähler! Die CDU hat hier eine große Chance vertan und damit erneut die Reifeprüfung nicht bestanden - diese Partei ist in Berlin belanglos!

     

    Herzlichen Glückwunsch Herr Wowereit!

  • JB
    Joachim Bovier

    Kein Frontoffizier

     

    Die Probleme der Berliner CDU lassen sich durch Personen beschreiben: Der frühere Regierende Bürgermeister Diepgen war sicher auch nicht das Paradebeispiel eines charismatischen Parteiführers, dennoch konnte er auch nach der Wiedervereinigung der CDU für lange Jahre die Exekutive sichern. Dass dies zusammen mit der SPD geschah, hat der CDU jedoch ihre Identität als konservative Volkspartei genommen, der rechte Biss ging verloren, so er denn je vorhanden gewesen sein sollte. Daran leidet die Berliner CDU bis heute.

     

    Zur Ablösung Pflügers kann man die Berliner CDU nur beglückwünschen. Ein längst überfälliger Schritt, der schon 2006 hätte vollzogen werden müssen, als er die CDU auf ein miserables 21% Wahlergebnis brachte. Pflüger hätte die frontale Auseinandersetzung mit dem Rot-Blutroten Wowereit Senat suchen müssen und die CDU, entsprechend dem erfolgreichen Modell anderer Bundesländer, zur entschlossenen Kampfpartei formieren müssen, orientiert am Beispiel der hessischen CDU, die seit 1970 unter ihren Vorsitzenden Alfred Dregger, Walter Wallmann, Manfred Kanther und Roland Koch von der 26% Partei des Jahres 1970 kontinuierlich zur absoluten Mehrheit 2003 geführt wurde.

     

    Stattdessenversuchte Pflüger in Kasinomentalität ein linksgestricktes Modell unter dem Label „Moderne Grosstadtpartei“, Stichwort Gekungel mit den Grünen. Nicht verwunderlich, dass dadurch keine neuen Wähler gewonnen, aber die Kernwähler abgeschreckt wurden.

     

    Mit seinem hybriden Machtanspruch auch noch Parteivorsitzender werden zu wollen, hat dieser Möchtegern-General den Aufstand der Offiziere selbst heraufbeschworen. Diese haben nun gehandelt, wie sie es mussten, um der Partei einen Rest an Identität zu wahren. Jetzt sind sie allerdings auch in der Verantwortung die CDU in Berlin aus dem Tal herauszuführen und als konservative Partei wieder zu sich selbst finden zu lassen.

  • KS
    Karl-Heinz Schmid

    Es ist jetzt die staatsbürgerliche Pflicht, die Berliner CDU im Jahre 2011 aus dem Parlament zu wählen. Erst wenn mangels Erreichen der 5%-Hürde keine geldbringenden Posten mehr zu vergeben sind, wird die Berliner CDU für ihre Versorgungsfälle unattraktiv.

     

    Die Formen der parteiinternen Machtausübung gemahnen an Klischees aus dem organisierten Verbrechen.

     

    Ich halte eine Beobachtung der Berliner CDU durch den Verfassungsschutz für genauso angebracht wie die Beobachtung der Ex-SED.

     

    Das deutsche Parteiengesetz verlangt auch parteiintern rechtsstaatliche Strukturen in Theorie und Praxis, insofern gibt es sehr wohl eine Handhabe dafür.

     

    Die Berliner CDU ist zur Zeit eine größere Gefahr für die Demokratie als die Ex-Kommunisten von der Linken oder die Neo-Nationalsozialisten von NPD und DVU. Denn ihre Führungsriege diskreditiert die demokratische Ordnung.

     

    Ich habe die Berliner CDU schon vor längerem verlassen und den Landesverband gewechselt, denn sonst wäre mir aus Gewissensgründen nur der Parteiaustritt geblieben. Mein Eintritt in die CDU vor über 25 Jahren war nicht zuletzt auch eine christliche Tat und von einem jedem anständigen Menschen eigenen Mindestmaß an Moral und Ehrverständnis getragen.

     

    Ob ich in der Partei verbleiben werde, hängt auch davon ab, ob und in welcher Form die CDU auf Bundesebene bereit ist, wirksam gegen die verantwortlichen Personen vorzugehen.

     

    Ich gehe davon aus, dass ich damit nicht nur für mich allein spreche.

  • AD
    Andreas Donati

    Friedbert Pflüger - Hoffnungsträger der CDU und der Oppositionsparteien - wurde gefeuert. Hier sind die Befindlichkeiten einzelner Personen offensichtlich gewichtiger, als das Signal an die Wähler! Die CDU hat hier eine große Chance vertan und damit erneut die Reifeprüfung nicht bestanden - diese Partei ist in Berlin belanglos!

     

    Herzlichen Glückwunsch Herr Wowereit!

  • JB
    Joachim Bovier

    Kein Frontoffizier

     

    Die Probleme der Berliner CDU lassen sich durch Personen beschreiben: Der frühere Regierende Bürgermeister Diepgen war sicher auch nicht das Paradebeispiel eines charismatischen Parteiführers, dennoch konnte er auch nach der Wiedervereinigung der CDU für lange Jahre die Exekutive sichern. Dass dies zusammen mit der SPD geschah, hat der CDU jedoch ihre Identität als konservative Volkspartei genommen, der rechte Biss ging verloren, so er denn je vorhanden gewesen sein sollte. Daran leidet die Berliner CDU bis heute.

     

    Zur Ablösung Pflügers kann man die Berliner CDU nur beglückwünschen. Ein längst überfälliger Schritt, der schon 2006 hätte vollzogen werden müssen, als er die CDU auf ein miserables 21% Wahlergebnis brachte. Pflüger hätte die frontale Auseinandersetzung mit dem Rot-Blutroten Wowereit Senat suchen müssen und die CDU, entsprechend dem erfolgreichen Modell anderer Bundesländer, zur entschlossenen Kampfpartei formieren müssen, orientiert am Beispiel der hessischen CDU, die seit 1970 unter ihren Vorsitzenden Alfred Dregger, Walter Wallmann, Manfred Kanther und Roland Koch von der 26% Partei des Jahres 1970 kontinuierlich zur absoluten Mehrheit 2003 geführt wurde.

     

    Stattdessenversuchte Pflüger in Kasinomentalität ein linksgestricktes Modell unter dem Label „Moderne Grosstadtpartei“, Stichwort Gekungel mit den Grünen. Nicht verwunderlich, dass dadurch keine neuen Wähler gewonnen, aber die Kernwähler abgeschreckt wurden.

     

    Mit seinem hybriden Machtanspruch auch noch Parteivorsitzender werden zu wollen, hat dieser Möchtegern-General den Aufstand der Offiziere selbst heraufbeschworen. Diese haben nun gehandelt, wie sie es mussten, um der Partei einen Rest an Identität zu wahren. Jetzt sind sie allerdings auch in der Verantwortung die CDU in Berlin aus dem Tal herauszuführen und als konservative Partei wieder zu sich selbst finden zu lassen.

  • KS
    Karl-Heinz Schmid

    Es ist jetzt die staatsbürgerliche Pflicht, die Berliner CDU im Jahre 2011 aus dem Parlament zu wählen. Erst wenn mangels Erreichen der 5%-Hürde keine geldbringenden Posten mehr zu vergeben sind, wird die Berliner CDU für ihre Versorgungsfälle unattraktiv.

     

    Die Formen der parteiinternen Machtausübung gemahnen an Klischees aus dem organisierten Verbrechen.

     

    Ich halte eine Beobachtung der Berliner CDU durch den Verfassungsschutz für genauso angebracht wie die Beobachtung der Ex-SED.

     

    Das deutsche Parteiengesetz verlangt auch parteiintern rechtsstaatliche Strukturen in Theorie und Praxis, insofern gibt es sehr wohl eine Handhabe dafür.

     

    Die Berliner CDU ist zur Zeit eine größere Gefahr für die Demokratie als die Ex-Kommunisten von der Linken oder die Neo-Nationalsozialisten von NPD und DVU. Denn ihre Führungsriege diskreditiert die demokratische Ordnung.

     

    Ich habe die Berliner CDU schon vor längerem verlassen und den Landesverband gewechselt, denn sonst wäre mir aus Gewissensgründen nur der Parteiaustritt geblieben. Mein Eintritt in die CDU vor über 25 Jahren war nicht zuletzt auch eine christliche Tat und von einem jedem anständigen Menschen eigenen Mindestmaß an Moral und Ehrverständnis getragen.

     

    Ob ich in der Partei verbleiben werde, hängt auch davon ab, ob und in welcher Form die CDU auf Bundesebene bereit ist, wirksam gegen die verantwortlichen Personen vorzugehen.

     

    Ich gehe davon aus, dass ich damit nicht nur für mich allein spreche.

  • AD
    Andreas Donati

    Friedbert Pflüger - Hoffnungsträger der CDU und der Oppositionsparteien - wurde gefeuert. Hier sind die Befindlichkeiten einzelner Personen offensichtlich gewichtiger, als das Signal an die Wähler! Die CDU hat hier eine große Chance vertan und damit erneut die Reifeprüfung nicht bestanden - diese Partei ist in Berlin belanglos!

     

    Herzlichen Glückwunsch Herr Wowereit!

  • JB
    Joachim Bovier

    Kein Frontoffizier

     

    Die Probleme der Berliner CDU lassen sich durch Personen beschreiben: Der frühere Regierende Bürgermeister Diepgen war sicher auch nicht das Paradebeispiel eines charismatischen Parteiführers, dennoch konnte er auch nach der Wiedervereinigung der CDU für lange Jahre die Exekutive sichern. Dass dies zusammen mit der SPD geschah, hat der CDU jedoch ihre Identität als konservative Volkspartei genommen, der rechte Biss ging verloren, so er denn je vorhanden gewesen sein sollte. Daran leidet die Berliner CDU bis heute.

     

    Zur Ablösung Pflügers kann man die Berliner CDU nur beglückwünschen. Ein längst überfälliger Schritt, der schon 2006 hätte vollzogen werden müssen, als er die CDU auf ein miserables 21% Wahlergebnis brachte. Pflüger hätte die frontale Auseinandersetzung mit dem Rot-Blutroten Wowereit Senat suchen müssen und die CDU, entsprechend dem erfolgreichen Modell anderer Bundesländer, zur entschlossenen Kampfpartei formieren müssen, orientiert am Beispiel der hessischen CDU, die seit 1970 unter ihren Vorsitzenden Alfred Dregger, Walter Wallmann, Manfred Kanther und Roland Koch von der 26% Partei des Jahres 1970 kontinuierlich zur absoluten Mehrheit 2003 geführt wurde.

     

    Stattdessenversuchte Pflüger in Kasinomentalität ein linksgestricktes Modell unter dem Label „Moderne Grosstadtpartei“, Stichwort Gekungel mit den Grünen. Nicht verwunderlich, dass dadurch keine neuen Wähler gewonnen, aber die Kernwähler abgeschreckt wurden.

     

    Mit seinem hybriden Machtanspruch auch noch Parteivorsitzender werden zu wollen, hat dieser Möchtegern-General den Aufstand der Offiziere selbst heraufbeschworen. Diese haben nun gehandelt, wie sie es mussten, um der Partei einen Rest an Identität zu wahren. Jetzt sind sie allerdings auch in der Verantwortung die CDU in Berlin aus dem Tal herauszuführen und als konservative Partei wieder zu sich selbst finden zu lassen.