CCS-Projekt in Norwegen: "Mondlandung" wird verschoben
Norwegen wollte Vorbild beim unterirdischen Speichern von Klimagasen sein. Jetzt wurde der Bau der ersten CCS-Anlage vorerst abgeblasen.
STOCKHOLM taz | In seiner Neujahrsansprache 2006 hatte Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg den Mund reichlich voll genommen: Als "unsere Mondlandung" verklärte er das geplante CCS-Großprojekt (Carbon Dioxide Capture and Storage) in Mongstad an der Westküste. Das Klimagas Kohlendioxid sollte in einem Gaskraftwerk abgetrennt und per Rohrleitungen in leergepumpte Öllagerstätten unter dem Nordseeboden "auf ewig" verschwinden.
Eigentlich hatte die Anlage im vergangenen Jahr in Betrieb gehen sollen. Jetzt ist das Projekt auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Grund: seit Jahrzehnten bekannte Gesundheitsgefahren.
Das Land wollte die CCS-Technik nicht lange testen, sondern gleich mit einem Großprojekt einsteigen. Es wäre die mit Abstand größte Anlage gewesen, die als erste das CO2 eines kompletten Großkraftwerks aufgenommen hätte. Das läuft nun seit 2009 und bläst das Gas eben in die Luft.
Die Norweger wollten auf "erprobte" Technik bauen: die CO2-Wäsche. Mit Hilfe der chemischen Verbindungen der Amine wird dabei das Kohlendioxid aus dem Rauchgas der Kraftwerke sozusagen herausgewaschen. In der Gießereitechnik ist die das eine altbekannte Technik. Bekannt sind auch die Gesundheitsrisiken des Verfahrens: Aromatische Amine sind nach Asbest und ionisierender Strahlung die dritthäufigste Ursache für beruflich bedingte Krebserkrankungen.
Doch Warnungen von Fachleuten überhörten die Verantwortlichen. Die heimische "Aker Clean Carbon" versprach, die Probleme seien lösbar. Eine von Siemens angebotene Alternativlösung mit Einsatz von Aminosäuresalz wurde als unerprobt abgelehnt. Sie wird derzeit im Eon-Kohlekraftwerk Staudinger beim hessischen Großkrotzenburg in kleinerer Skala getestet - laut Siemens mit guten Ergebnissen und ohne die Gesundheitsgefahren, die mit dem Einsatz von Aminen verbunden sind. Vattenfall erprobt bei seiner CCS-Pilotanlage beim Kraftwerk Schwarze Pumpe mit dem Oxyfuel-Verfahren wiederum eine andere CCS-Technik.
In Norwegen sollen nun erst einmal weitere Erkenntnisse über mögliche negative Gesundheitsauswirkungen der Aminwäsche auf Umwelt und Menschen gesammelt werden. Schon jetzt ganz aus dieser Technik aussteigen will man nicht. Weil es nach Einschätzung des Betreibers keine sowohl funktionierende wie unbedenkliche CCS-Technik gibt, werde man eine mögliche Investitionsentscheidung erst bis 2016 treffen, teilte das Energieministerium mit. Eine mögliche Inbetriebnahme wäre dann kaum vor 2020 möglich.
Die Umweltschutzorganisation Bellona sprach von einer "völlig unnötigen Verzögerung". Die Umweltschutzorganisation Miljøvernforbundet fordert, sich von fossilen Brennstoffen in der Energieproduktion zu verabschieden.
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