Busse in Umweltzonen: Reise- oder Rußplakette?
Umweltschützer lehnen einen Entwurf der Regierung zu Sonderrechten für Busunternehmen ab. Deren Fahrzeuge sollen bis Ende 2014 ohne Partikelfilter in Unweltzonen fahren dürfen.
BERLIN taz | Das Bündnis „Rußfrei fürs Klima“hat die Bundesländer aufgefordert, einen nach seinen Informationen derzeit von der Bundesregierung erarbeiteten Leitlinienentwurf abzulehnen, der Dieselruß ausstoßenden Reisebussen mit gelber Feinstaubplakette die Einfahrt in Umweltzonen bis Ende 2014 erlauben will.
Stattdessen fordern die in dem Bündnis zusammengeschlossenen Verbände Naturschutzbund Deutschlan (Nabu), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Verkehrsclub Deutschland (VCD) und Deutsche Umwelthilfe (DUH) eine generelle grüne Plakettenpflicht für Reisebusse bei der Einfahrt in Umweltzonen. Das Bundesumweltministerium betont hingegen die Notwendigkeit „praktikabler Ausnahmeregelungen“.
„Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Bundesregierung den von Feinstaub und Stickoxiden geplagten Menschen in den Ballungszentren in den Rücken fällt und über die geplanten Leitlinien Lobbyarbeit für schmutzige Busse leistet“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Eine Sonderbehandlung für Reisebusse sei ein Affront gegenüber allen Fahrzeughaltern, die seit Jahren Umweltzonenregeln befolgen und sich entweder ein sauberes Fahrzeug angeschafft oder ihren alten Pkw oder Lkw mit einem Filter nachgerüstet hätten.
„Diese Pflicht muss auch für die Reisebsunternehmen gelten,“ sagte Resch. Derzeit dürfen Busse, insbesondere Reisebusse, auch dann in die meisten Umweltzonen einfahren, wenn sie mit einer gelben Feinstaubplakette und somit nicht mit einem Partikelfilter ausgestattet sind. Gegenüber anderen Fahrzeugen genießen sie damit Sonderprivilegien, die nach Überzeugung des Bündnis „Rußfrei fürs Klima“ den Zweck der Umweltzonen untergraben.
Nachrüst-Partikelfilter verfügbar
Lediglich Berlin verbannt seit Jahresbeginn konsequent „schmutzige“ Busse aus der Umweltzone und leistet so einen Beitrag zur Entlastung der Innenstadt von Feinstaub und Stickoxide. Nach Angaben der Verbände bereitet nun das Bundesumweltministerium (BMU) in Abstimmung mit dem Wirtschafts- und mit dem Verkehrsministerium einen Richtlinienentwurf vor, der die Bundesländer und Städte dazu drängen soll, „schmutzige“ Busse mit gelber Plakette bis 2014 in ihre Umweltzonen einfahren zu lassen.
Die Verbände halten eine solche Regelung auch deshalb für unsinnig, weil für 90 Prozent der betroffenen Busse inzwischen Nachrüst-Partikelfilter verfügbar sind. Wenn die Politik die EU-Grenzwertvorgaben für Feinstäube und Stickoxid einhalten wolle, dürfe sie nicht immer weiter wirtschaftliche Einzelinteressen vertreten, sondern müsse bei ihren Entscheidungen das gesundheitliche Wohl der Bürgerinnen und Bürger im Blick haben, sagte BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenber.
Das Bundesumweltministerium wies die Vorwürfe auf Anfrage zurück. Das Ministerium unterstütze alle Maßnahmen, die die Luftqualität der Innenstädte verbessern, sagte eine Ministeriumssprecherin der taz. Umweltzonen seien eine geeignete Maßnahme. „Hierbei bedarf es praktikabler Ausnahmeregelungen von Verkehrsverboten in Umweltzonen, um auf der einen Seite eine hohe Effizienz zu gewährleisten und auf der anderen Seite soziale und wirtschaftliche Härten zu vermeiden.“
Ausgehend von den existierenden Ausnahmeregelungen, die seitens der zuständigen Behörden der Länder praktiziert werden, würden zur Zeit in Abstimmung mit den Ländern erarbeitete Leitlinien zur bundesweiten Vereinheitlichung von Ausnahmeregelungen von Verkehrsverboten in Umweltzonen fortgeschrieben, so die Sprecherin weiter.
Reduzierung der Feinstaubbelastung von 10 bis 12 Prozent
„Die Fortschreibung soll auch eine befristete Ausnahmeregelung für Euro-III-Reisebusse enthalten.“ Details hierzu seien aber noch nicht festgelegt. In Deutschland gibt es derzeit in mehr als 50 Städten Umweltzonen, in die besonders umweltschädliche Fahrzeuge nicht einfahren dürfen, zum Beispiel in Berlin, Leipzig und dem Ruhrgebiet.
Allerdings gibt es auch viele Städte, die bislang auf die Einrichtung von Umweltzonen verzichtet haben: beispielsweise Hamburg, Kiel, Rostock, Potsdam, Dresden, Nürnberg, Frankfurt/Main. Die Belastung der Luft mit Feinstaub hat viele Ursachen und hängt wesentlich vom Wetter ab.
Bei windstillen Lagen verbleibt der Staub in der Stadt, bei kräftigem Wind wird er fortbewegt. Andererseits können anhaltende Winde Stäube aus großen Entfernungen herantragen. Nach Angaben des Bundesumweltamtes kann die Einrichtung einer Umweltzone zu einer Reduzierung der Feinstaubbelastung von zehn bis zwölf Prozent im Jahresmittel führen. (ROT)
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