Bushido: Generalpardon für alles
Schon wieder äußerte er sich abfällig über Homosexuelle. Bushido kann es sich leisten - ihn schützt das Image des antirassistischen Migranten.
Grotesk war nicht, dass die Jugendillustrierte Bravo und der TV-Sender Viva zu einer Aktion gegen Gewalt an Schulen aufriefen und zum Konzert am Brandenburger Tor luden. Rätselhaft blieb nur, weshalb der Rapper Bushido angeheuert wurde: Als ob nicht gerade Jugendliche mit migrantischen Hintergründen überwiegend, nicht allein in Berlin, für die Unruhen auf Schulhöfen und in Klassenzimmern einzustehen haben - und der Berliner Entertainer Bushido ist deren Held.
Und zwar nicht zufällig, denn dieser hat in einer Fülle von Songs Frauen wie schwule Männer verächtlich gemacht und, mehr noch, "Schwuchteln verkloppen" für okay erklärt. Obskur war an diesem Samstag ebenfalls weniger, dass dieser ästhetisch auf der Höhe des aktuell rasenden Mackertums sich tummelnde Mann auftreten durfte - obwohl auf Initiative von zwei Berliner Homosexuellen, vom Mann-o-Meter-Vorstandsmann Rudolf Hampel und von Thomas Birk, Abgeordneter der Grünen in Berlin, gefordert wurde, den Auftritt dieses Hassschaumschlägers zu untersagen. Erstaunen erzeugte nur, dass Bushido noch von der Bühne herab die protestierenden Schwulen und Lesben mit abfälligen Posen behelligte: "Die Wichser können demonstrieren, sich aufhängen - ich scheiß drauf." Der Mann ist sich seiner Sache sicher. Denn sein Publikum applaudierte ihm. Auch für folgenden Satz: Die Kritik an ihm lenke nur - Stichwort Mügeln - von "Gewalt gegen Ausländer" ab. Bushido weiß also genau, was er den Berufsbetroffenen schuldig ist: Jede Sauerei (Homophobie, Sexismus) kann er sich leisten, weil er durch das Bild vom guten, antirassistisch bedürftigen Migranten geschützt wird.
So haben wir die Ästhetik der Bushidos, diese neue jugendliche Tonlage zu nehmen: das Irgendwie-ausländisch-Sein als Generalpardon für alles. Entsprechend fielen gestern die medialen Aufbereitungen aus. Von der Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau bis zu B.Z. und Bild wurde der Protest von Homosexuellen als putzig vom Diskurstisch gefegt. Das Projekt von Bravo und Viva gegen Gewalt in der Schule hat sich damit lächerlich gemacht: Alle seriösen Zahlen sagen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund weniger unter Gewalt zu leiden haben wie beispielsweise homosexuelle Jugendliche - gerade durch die Neumacker mit dem offenbar inzwischen stubenreinen Bewusstsein vom Hass auf sexuell Andere. Das möchte niemand so recht zur Kenntnis nehmen, weder das Gros der Medien noch die Milieus der Migrationsverwalter. Das ist der eigentliche Skandal des Bushido-Auftritts bei einem wert- und morallosen Fest am Brandenburger Tor. JAF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus