piwik no script img

Bus-Pannenserie in BerlinBVG hat Feuer unterm Hintern

Nach den jüngsten Bränden in Bussen ordnet die neue Chefin eine Überholung bis Ende nächster Woche an. Schuld an der Misere sei nicht der Personalabbau in Werkstätten, sondern die schlechte Qualität der Fahrzeuge

Nicht immer stellen sich die BVG-Busse so brav dar Bild: reuters

Auf den Bus angewiesene Berliner haben es nicht leicht dieser Tage: Sie stehen sich beim Warten die Beine in den Bauch. Und sie müssen auch noch Angst um ihre und die Sicherheit der Vehikel haben: Zuletzt häuften sich die Motorenbrände. Sieben BVG-Busse sind deswegen bereits abgebrannt, zuletzt am vergangenen Wochenende, fast alle gehören zur gleichen Baureihe. Die neue Chefin der Verkehrsbetriebe Sigrid Nikutta zieht jetzt die Reißleine und lässt die 91 Busse der Reihe Citaro bis Ende nächster Woche generalüberholen. Die Ursachensuche läuft. Vorwürfe, der jahrelange Personalabbau in den Werkstätten sei schuld an der Misere, wies Nikutta am Donnerstag indes zurück. Die Busse seien regelmäßig alle drei Monate überprüft worden.

Die Mehrheit der gefährlichen Busse ist zwölf Meter lang, wurde 2002 gebaut und hat einen speziellen Motor - der womöglich der Grund für die Brände ist. Hersteller ist Evobus, eine Tochter von Mercedes. Nikutta hatte sich mit Firmenvertretern am Mittwoch in der BVG-Zentrale zu "ernsthaften und konstruktiven Diskussionen" getroffen, wie sie erklärte. Als Ergebnis ließ sie ein Team aus BVG- und Mercedes-Mitarbeitern zusammenstellen, das mit dem Bus-Sonder-TÜV begonnen hat. 40 Busse werden komplett aus dem Verkehr gezogen, 51 weitere nur für den Sicherheitscheck. Außerdem werde ein Zeitplan erarbeitet, um Löschsysteme in die Busse einzubauen. Nikutta sprach von einer "maximalen Kraftanstrengung" der BVG-Beschäftigten. "Die Sicherheit für unsere Fahrgäste und die Mitarbeiter hat oberste Priorität."

BerlinerInnen sollen möglichst wenig von den Wartungsarbeiten mitkriegen - so zumindest der Wunsch von Nikutta. Ob das klappt, bleibt abzuwarten. Um die kurzzeitig ausgemusterten Fahrzeuge zu ersetzen, hat Nikutta 20 Busse von Unternehmen aus der Umgebung anmieten lassen, es würden "minütlich mehr". Allerdings kommen nicht alle Fahrzeuge als Ersatz in Frage, da die Citaro-Baureihe gern in kleinen und überbrückten Straßen eingesetzt wird. Doppeldecker oder breitere Busse fallen aus. Ob und wie viel Geld die BVG vom Hersteller zurückmöchte wegen der schadhaften Busse, ließ Nikutta offen. Auch die Option, Busse zurückzugeben, werde diskutiert. Die BVG-Flotte umfasst insgesamt 1.324 Busse.

Die Brände sind der zweite akute Problemfall für die neue Frau an der Spitze: Im September fielen fast dreimal so viele Bus-Fahrkilometer aus wie im Vormonat. Das Unternehmen verwies zwar auf zahlreiche Feste und Baustellen in der Stadt. Zugleich bestätigte die BVG aber, dass zwischen 2003 und 2006 um mehr als ein Drittel Personal in den Werkstätten abgebaut wurde: Parallelen zur S-Bahn drängen sich auf. Die DB-Tochter schwankt seit eineinhalb Jahren zwischen Krise und Chaos, eine Rückkehr zum Normalbetrieb ist nicht in Sicht.

BVG-Sprecherin Petra Reetz bestätigte, dass die Personalabbau-Strategie "uns jetzt auf die Füße fällt". Das Unternehmen habe darauf gesetzt, die Flotte zu modernisieren und weniger reparieren zu müssen. Dann habe sich herausgestellt, dass die Qualität der neuen Busse schlechter sei als früher. 20 Zeitarbeiter hat die BVG jüngst eingestellt, es könnten bis zu 30 weitere werden. Mitarbeiter des Unternehmens bestätigten, dass die neuen Busse tatsächlich öfter kaputtgingen. Zudem seien die neuen Doppeldecker komplizierter von der Bauart, Mechatroniker kämen beispielsweise schwieriger an den Motor heran.

Nikutta, die ihren Job erst vor vier Wochen angetreten hat, wird auch mit den finanziellen Folgen der Ausfälle umgehen müssen - ähnlich wie ihr ebenfalls noch frischer Kollege Peter Buchner an der S-Bahn-Spitze. Wenn die BVG wie prognostiziert von den im Verkehrsvertrag festgelegten jährlichen 88 Millionen Kilometern Leistung nur knapp 99 Prozent erbringen wird, kürzt die Verkehrsverwaltung die Zuschüsse. "Nur erbrachte Leistung ist gekaufte Leistung", sagte Mathias Gille, der Sprecher der Verwaltung. Über die Höhe werde erst Ende dieses Jahres entschieden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!