■ Bundeswehreinsätze und Ministerprestige: Kinkel wahrt sein Gesicht
Es ist noch nicht so lange her, da liefen die beiden in Bonn unter dem Code „Plisch und Plum“. Während sie sich öffentlich geschickt die Bälle zuspielten – Kinkel greinte über die Diskriminierung der Deutschen, weil sie international ohne Armee dastünden, und Rühe lamentierte über die Orientierungslosigkeit der Bundeswehr –, schufen sie hinter den Kulissen Fakten. Hilflos und mit der Faust in der Tasche mußte die SPD mit ansehen, wie das Gespann Kinkel/Rühe die Fesseln der Vergangenheit peu à peu ablegte und schließlich, ohne Verfassungsänderung oder sonstige Einflußnahme der Opposition, sein Bundeswehrkontingent in der Wüste plaziert hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt ging es um das Prestige der neuen europäischen Mittelmacht Bundesrepublik und die damit verbundene internationale Einflußnahme. Seit die 1.700 Deutschen in Belet Huen sitzen und dort vergeblich auf die indische Brigade warten, geht es jedoch um das politische Prestige der beiden Minister, deren Karrieren und Lobbyinteressen.
In dieser Phase, wo die Verlautbarungen über Verantwortung und humanitäre Hilfe immer hohler klingen, werden Plisch und Plum zu erbitterten Konkurrenten. Für die Bundeswehr hat sich der Erfolg des Ausfluges längst realisiert – länger zu bleiben erhöht nur unnötig das Risiko. Und so verwundert es nicht, daß vom Bundeswehrverband über die militärischen Planer bis zu Minister Rühe jetzt alle der Meinung sind, spätestens mit dem Abzug der US-Soldaten selber die Platte zu putzen. Eigentlich könnte Rühe nun der Opposition getrost entgegenkommen und beim Austausch des Kontingents im November lediglich noch eine symbolische Restgröße ans Horn von Afrika beordern.
Für Kinkel stellt sich die Sache da natürlich etwas anders dar. Sein Ziel ist der deutsche Sitz im Sicherheitsrat und eine größere persönliche Wertschätzung im internationalen Kollegenkreis. Für beides müssen die Jungs vom Bund noch ein bißchen länger in der Wüste bleiben, Kinkel ist noch nicht soweit. Verständlich, daß der Außenminister wütend wird, wenn der Verteidigungsminister lediglich die eigenen Interessen berücksichtigt und unabgesprochen den Rückzug ankündigt. Mit Rücksicht auf die UNO, so gestern nun die offizielle Sprachregelung, ist die endgültige Entscheidung über den Termin noch einmal verschoben worden. Damit kann Kinkel sein Gesicht wahren, mehr aber auch nicht. Auf die schnell umsetzbare politische Lösung in Somalia wird Kinkel wohl vergeblich warten – da ist der Rückzug der Amerikaner weitaus handfester. Die simple Frage aber, welches Vorgehen eigentlich für Somalia sinnvoll wäre, die haben Plisch und Plum von Anfang an nicht gestellt. Jürgen Gottschlich
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