■ Bundeswehr und Öffentlichkeit(sarbeit): Der unpolitische Waffenklau
Bei dem bislang größten Waffendiebstahl aus Beständen der Bundeswehr „ist ein politischer Hintergrund nicht erkennbar“. Man hat zwar keine Spur der Täter, eins aber ist sowohl dem brandenburgischen Innenminister als auch für das Verteidigungsministerium klar: die Motive sind nicht politisch. Worauf nur stützen Bundeswehrführung und Polizei diese Behauptung? Die Täter hätten zwar Gewehre, Maschinengewehre und Abschußvorrichtungen für Panzerfäuste, nicht aber – ebenfalls vorhandene – Pistolen mitgehen lassen. Die Waffe der Stadtguerilla aber ist die Pistole, weil man Panzerfäuste ja so schlecht in die Tasche stecken kann. Deshalb könne man ausschließen, daß es sich bei den Tätern um potentielle Terroristen rechter oder linker Couleur gehandelt hat.
Was man dagegen tatsächlich weiß: die Täter müssen sich auf dem riesigen und unübersichtlichen Gelände, wo früher das Oberkommando der Landstreitkräfte der DDR untergebracht war, bestens auskennen. Und sich ihrer Sache so sicher gewesen sein, daß sie ein Tor aufbrechen, mit einem Transporter auf das Gelände fahren und in aller Ruhe das Schießzeug abtransportieren konnten. Wahrscheinliche Optionen also sind: Entweder handelt es sich bei den Tätern um frühere, dort stationierte NVA-Leute, die nach wie vor Kontakt zu den jetzt dort Stationierten haben, oder aber um Soldaten, die am jetzigen Sitz des Territorialkommandos Ost Dienst schieben. Beides ist für die Bundeswehr hochnotpeinlich – und also angenehmer, kommerzielle Gründe für den Waffenklau angeben zu können. Einen Grund zur Entwarnung aber gäbe es auch dann nicht, denn die Waffen dürften dennoch bei politisch motivierten Figuren landen.
Tatsächlich passen G3-Sturmgewehre nicht in das Arsenal irgendwelcher RAF-Adepten: dafür aber um so besser zum Outfit beliebiger Wehrsportgruppen, die immer mehr in Mode kommen. Wehrsportgruppen verstehen sich als militärischer Arm der neofaschistischen Szene, sind mithin so unpolitisch wie ihre Vorbilder, denen der Bundesinnenminister gerade per Bundesverfassungsgericht die demokratischen Rechte aberkennen lassen will. Es ist ja verständlich, daß die Bundeswehr Angst um ihr Image als unpolitische Bürgerwehr hat. Die ständige Wiederholung der Behauptung, die Armee sei gegen Rechtsextremismus immun, macht diese Aussage aber nicht plausibler. Statt rechtsradikale Soldaten zu den berühmten, überall vorkommenden schwarzen Schafen herunterzureden und Waffendiebstahl sofort für unpolitisch zu erklären, wäre es an der Zeit, offen über Vorfälle wie diesen zu reden. Warum sollte ausgerechnet an der Bundeswehr der gesellschaftliche Ruck nach rechts vorübergehen? Jürgen Gottschlich
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen