Bundeswehr auf Probe

■ Ehemalige Berufs- und Zeitsoldaten der NVA müssen zweijährige Probezeit absolvieren/ Maximal 50.000 NVAler zum Bund/ West-Alliierte ziehen zum größten Teil ab

Bonn (ap/adn) — Knapp drei Wochen vor dem Beitritt der DDR hat Bundesverteidigungsminister Stoltenberg nun sein Konzept der künftigen Bundeswehr vorgelegt. Danach sollen aus der jetzigen NVA maximal 50.000 Soldaten übernommen werden, davon die Häfte Berufs- oder Zeitsoldaten. Die Entscheidung, wer von diesen endgültig übernommen wird, soll nach einer zweijährigen Probezeit erfolgen. Die innerhalb der Bundeswehr umstrittenste Frage hat Stoltenberg erst noch ausgeklammert: Ob NVA-Generäle zukünftig in der Bundeswehr kommandieren dürfen, sei noch nicht entschieden.

Zugleich mit seinen Überlegungen zur Eingliederung der NVA berichtete Stoltenberg auch über umfangreiche Truppenabzugspläne der Alliierten. So bereiteten die USA in diesen Wochen eine Reduzierung ihrer Truppen in der Bundesrepublik um 60.000 auf 195.000 Soldaten vor, die 1991 und 1992 in zwei Schritten erfolgen solle. Der Zeitpunkt für eine mögliche weitere Verringerung sei noch offen. Großbritannien habe mitgeteilt, daß der Umfang der Rheinarmee auf 25.000 Soldaten halbiert werden solle. In Frankreich werde ein Abzug der etwa 50.000 französischen Soldaten aus Deutschland diskutiert. Auch ein Teilabzug der belgischen, niederländischen und kanadischen Truppen sei erkennbar.

Nach Einschätzung Stoltenbergs werden in der zweiten Hälfte der 90er Jahre statt heute 410.000 nur noch 150.000 bis 170.000 Soldaten der Nato-Verbündeten in Deutschland stationiert sein. Das sei mit den sicherheitspolitischen Bedürfnissen Deutschlands vereinbar. Alles in allem würden von den noch 1988 auf deutschem Boden in West und Ost stationierten 1,5 Millionen Soldaten 1996 nur rund 500.000 übrig bleiben. Übungen der Nato-Alliierten auf dem Gebiet der jetzigen DDR hält Stoltenberg für überflüssig. Von der UdSSR erwartet er ebenfalls eine erhebliche Reduzierung ihrer Manöver.

Laut Stoltenberg wird die überwiegende Mehrzahl der Truppenteile und Einrichtungen der NVA zunächst weiter bestehen. Welche Einrichtungen bereits mit dem Beitritt am 3.Oktober aufgelöst werden, soll „in Kürze“ entschieden werden. Stoltenberg stellte aber klar, daß die 19.000 Mann starken Grenztruppen der NVA wegen „ihrer Geschichte und ihres bisherigen Auftrags“ auf jeden Fall aufgelöst werden. Wehrpflichtige sollen in andere Einheiten versetzt werden. Spezialaufgaben wie das Minenräumen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze und der Abbau der Berliner Mauer sollen fortgesetzt werden.

Das neue Bundeswehrkommando Ost wird unter Leitung von Generalleutnant Jörg Schönbohm am 3.Oktober als zentrale Führungseinrichtung seine Tätigkeit aufnehmen. Schönbohms Stellvertreter wird der jetzige Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr, Generalmajor Werner von Scheven. Zum Chef des Stabes wurde Brigadegeneral Peter Jacobs ernannt. Das jetzige DDR- Ministerium für Abrüstung und Verteidigung (MfAV) in Strausberg bei Berlin wird eine Außenstelle des Bundesverteidigungsministeriums unter Leitung des jetzigen MfAV- Staatssekretärs Günter Ablaß.