Bundestagswahl: Politiker starten in den WSV
Die Berliner Landesparteien eröffnen den Wahlkampfschlussverkauf: Mit Landesthemen wie S-Bahn-Chaos, "Schülerlotterie" oder Gentrifizierung soll der lahme Wahlkampf angeheizt werden.
Irgendwas fehlt. Gut zwei Wochen sind es noch bis zur Bundestagswahl. Aber mitreißender Wahlkampf in der Stadt? Nirgends. Als Aufreger taugten bisher nur zwei CDU-Plakate - eines mit Lengsfeld-Dekolleté, eines im XXL-Format am Charlottenburger Tor. Wo die Berliner am 27. September ihr Kreuz machen, wird das aber wohl nicht entscheiden.
Und nun das S-Bahn-Chaos. Dass sich die Opposition jetzt derart auf die Pannenserie der Bahn-Tochter stürzt, ist bezeichnend für die momentane Wahlkampfflaute. Endlich hat man ein Aufregerthema erspäht, können Rücktritte gefordert werden. Am meisten versprechen sich offenbar die Grünen von dem Thema: Schon vor dem neuesten Notfallplan hatte Grünen-Landeschefin Irmgard Franke-Dressler kürzlich angekündigt, man werde das S-Bahn-Chaos im Wahlkampf noch thematisieren. "Das ist ein Thema, das die Berliner heftig bewegt." Als am Montagabend die neuerlichen Zugausfälle bekannt wurden, standen die Grünen sofort mit Unterschriftenlisten gegen die S-Bahn auf dem Potsdamer Platz.
Das Problem ist allerdings, dass bei diesem Thema eine wirkliche Polarisierung ausbleibt, sind sich doch alle Landesverbände einig, dass das Agieren der Bahn momentan einfach nur daneben ist. Die Opposition von CDU, FPD und Grünen steht sogar zusammen in der Forderung nach Rücktritt der Verkehrssenatorin. Die jetzige Empörung ist also ein - verzweifelter - Versuch, den hiesigen Wahlkampf endlich in die Gänge zu kriegen.
Befragt man die Berliner Parteivorstände zum Wahlkampf, hört man überall von Ernüchterung. "Richtig zündend" sei es bisher nicht, konstatiert die SPD. "Mehr Drive" könnte er vertragen, so die Grünen. Und die FDP bemerkt, dass die Leute "nicht so rasend mitgehen". Sicher, so heißt es parteiübergreifend, der Wahlkampf werde noch an Fahrt gewinnen.
Die Afghanistan-Debatte werde dazu beitragen, hofft Marion Seelig, Vizefraktionschefin der Linken. "Wir sind die Einzigen, die Krieg ablehnen." Für Grünen-Chefin Franke-Dressler hat sich am letzten Wochenende gezeigt, welche Wucht das Thema Atomausstieg noch bekommen könne. Und FPD-Landeschef Markus Löning bemerkt, dass Freiheits- und Bürgerrechte die Berliner "emotional mitnimmt" - wohl nicht ohne Blick auf die Großdemonstration für mehr Datenschutz am Samstag.
Der Wahlkampfflaute Abhilfe schaffen sollen aber vor allem Landesthemen. Am Mittwoch eröffnete die CDU ihre Kampagne gegen die "Schülerlotterie". Bildung sei ein zentrales Thema dieses Wahlkampfes, so CDU-Generalsekretär Bernd Krömer. In Berlin würden mit der Schulreform dagegen Zukunftschancen der Kinder verbaut. Und CDU-Chef Frank Henkel erklärte am Mittwoch: "Gute Bildung - fordern großflächig alle Parteien in diesem Bundestagswahlkampf. Im Bundesland Berlin versucht der rot-rote Senat jedoch gerade, eine Reform durchzusetzen, die Berlins Kinder und ihre Zukunftschancen noch mehr gegenüber dem Rest Deutschlands zurückfallen lassen wird."
Für die Linken kündigt Vizefraktionschefin Marion Seelig unterdessen an, im Wahlkampf noch stärker die Berliner Kita-Versorgung und Gentrifizierung thematisieren zu wollen. "Da könnte der Kampf noch mal entbrennen."
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