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Bundesrat will keine Pflegeversicherung de Luxe

■ Die Ländervertretung weist den Koalitionsentwurf zur Pflege als „nicht beratungsfähig“ zurück / Zeitplan zur Einführung der Versicherung wankt

Bonn/Stuttgart (AFP/dpa) – Der Zeitplan zur Einführung der Pflegeversicherung wankt. Der Sozialexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Julius Louven, plädierte dafür, den Termin um zwei Monate zu verschieben.

Der Bundesrat lehnte gestern den Pflegegesetz-Entwurf der Koalition ab, da eine „beratungsfähige Vorlage“ nicht vorliege. Weder sei die von der Regierung vorgesehene Unternehmensentlastung über die inzwischen fallengelassenen Karenztage zurückgezogen, noch seien alternative Finanzierungsmodelle der Länderkammer fristgerecht zugeleitet worden. Im Bundesrat haben die SPD-Länder die Mehrheit.

In der lebhaften Debatte kritisierte NRW-Sozialminister Franz Müntefering (SPD): Die im Regierungsentwurf vorgesehene Beschränkung der Versicherungspflicht auf die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen führe zu höheren Beitragssätzen für Geringverdiener. „Unzureichender Versicherungsschutz für die Masse der Bevölkerung und eine Pflegeversicherung de Luxe für Gutbetuchte“ sei für die SPD nicht akzeptabel.

Der Bundestagssozialausschuß plant für Montag eine Anhörung zum neuen Kompensationsmodell für die Wirtschaft, das eine 20prozentige Lohnkürzung an den zehn bundesweiten Feiertagen vorsieht. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Dieter Thomae (FDP), hält ein Inkrafttreten der Versicherung für den 1. April oder den 1. Juli „für realistisch“. Es sei besser, ein ordnungsgemäßes Parlamentsverfahren zu haben „mit einem anständigen Ergebnis als schnelle Beratungen und einen Haufen Fehler“.

Trotzdem hielten die Koalitionsfraktionen gegen den Protest der SPD daran fest, aus Zeitdruck schon am Montag eine Expertenanhörung zum neuen Modell abzuhalten. Die SPD nannte die Absicht von CDU/CSU und FDP, bereits am Mittwoch die Ausschußberatungen zu diesem Thema abzuschließen, eine „Zumutung für das Parlament“. Als „aberwitzig und absurd“ wies eine Konferenz der Sozial- und Gesundheitspolitiker von Bündnis 90/Grüne in Mainz die Koalitionspläne zurück. Wer ein Modell vorlege, das die Kosten einseitig den Arbeitnehmern aufhalse und ihnen trotzdem das Risiko aufbürde, als Pflegefall zu Sozialhilfeempfängern zu werden, habe jede Glaubwürdigkeit verspielt.

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