Bundespräsident in der Türkei: Aktive Integration gefordert
In seiner Rede vor dem türkischen Parlament benennt Wulff "das Verharren in Staatshilfe, Kriminalitätsraten, Machogehabe, Bildungs- und Leistungsverweigerung" als Multikulti-Probleme.
ANKARA rtr | Bundespräsident Christian Wulff hat Einwanderer in Deutschland zu einer stärkeren Integration aufgefordert. "Als ihr aller Präsident fordere ich, dass jeder Zugewanderte sich mit gutem Willen aktiv in unsere Gesellschaft einfügt", sagte Wulff am Dienstag in einer Rede vor dem türkischen Parlament in Ankara. Dazu gehöre die Achtung der Verfassung und die darin festgeschriebenen Werte: "Zuallererst die Menschenwürde, aber auch die freie Meinungsäußerung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und der religiös und weltanschaulich neutrale Staat".
Wulff forderte Zuwanderer zugleich auf, die deutsche Sprache zu lernen, sich an Recht und Gesetz zu halten und sich mit den Lebensweisen der Menschen vertraut zu machen. "Wer in Deutschland leben will, muss sich an diese geltenden Regeln halten und unsere Art zu leben akzeptieren." Es gehe allerdings nicht darum, dass jemand seine kulturelle Identität aufgeben oder seine Herkunft verleugnen müsse.
Der Bundespräsident unterstrich, Einwanderer hätten Deutschland vielfältiger, offener und der Welt zugewandter gemacht. Das "Zusammenleben in Vielfalt" sei aber auch eine große Herausforderung. Die Probleme im Zusammenleben müssten klar benannt werden. Dazu gehörten "das Verharren in Staatshilfe, Kriminalitätsraten, Machogehabe, Bildungs- und Leistungsverweigerung". Durch "multikulturelle Illusionen" seien diese Probleme regelmäßig unterschätzt worden. Allerdings handele es sich nicht nur um Probleme von und mit Einwanderern, fügte der Bundespräsident hinzu.
Wulff sprach als erstes deutsches Staatsoberhaupt vor dem türkischen Parlament. Zuvor war er von Staatspräsident Abdullah Gül mit militärischen Ehren empfangen worden. Danach standen Gespräche mit Gül sowie Ministerpräsident Tayyip Erdogan auf dem Programm.
In seiner Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit hatte Wulff betont, neben Christentum und Judentum gehöre inzwischen auch der Islam zu Deutschland. Der Bundespräsident hatte zugleich vor der Zementierung von Vorurteilen und Ausgrenzung gewarnt. Wulffs Rede hatte eine hitzige Debatte über die Rolle des Islam in Deutschland ausgelöst. Vor allem aus Teilen der Union kam Kritik.
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