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Bundeshaushalt ohne Haushaltung

■ Deutliche Gegensätze zwischen Koalition und Opposition / Bundestag berät Haushaltsentwurf in erster Lesung / Stoltenberg nennt Entwurf gute Grundlage für künftige Aufgaben

Bonn (ap) - Mit deutlich gegensätzlichen Positionen haben Bundesregierung und Opposition am Mittwoch im Bundestag die erste Lesung des Haushaltentwurfs 1988 und des mittelfristigen Finanzplans eröffnet. Während Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg in seiner Einbringungsrede den Entwurf als „Ausdruck der Kontinuität“ der Politik der Koalition und gute Grundlage für Aufgaben der nächsten Jahre wertete, nannte der stellvertretende SPD–Fraktionsvorsitzende Hans Apel die Planungen „Makulatur“, mit denen Stoltenberg gegen die haushaltsrechtlichen Grundsätze verstoßen habe. Bei der Erläuterung der Einzelpläne verwies Stoltenberg darauf, daß für die Bereiche Wirtschaft, Landwirtschaft, Forschung und Umwelt überdurchschnittliche Wachstumsraten vorgesehen seien. Im Wirtschaftsetat, der um 15,1 auf 6,4 Milliarden Mark steigt, schlagen unter anderem die Subventionen für die Kohleverstromung, Hilfen für die Stahl– und die Werftenindustrie sowie Mittel für den Airbus zu Buche. Mit der Steigerung des Landwirtschaftsetats werde der weiterhin bedrängten Lage der Bauern Rechnung getragen. Der Vorwurf, die Steuerpolitik sei arbeitnehmerfeindlich, sei „grotesk“, sagte Stoltenberg. Er unterstrich seine Absicht, die Finanzierungslücke von 19 Milliarden Mark bei der für 1990 geplanten Steuerreform in erster Linie durch den Abbau von Steuersubventionen, Sonderregelungen und Privilegien auszugleichen. Für die Grünen kritisierte der Abgeordnete Hubert Kleinert, Stoltenberg habe keine überzeugende Antworten auf neue Herausforderungen gegeben. Es gebe keine Konzepte der Bundesregierung zur Lösung der Strukturkrisen bei Kohle, Stahl und Werften, zur Lösung der Arbeitsmarktprobleme oder zur Bewältigung der Umweltverschmutzung. Kleinert bezeichnete Stoltenberg als „Absteiger des Jahres“. Erst habe er im Februar dieses Jahres hinnehmen müssen, daß Bundeskanzler Helmut Kohl den Posten des Finanzministers hinter seinem Rücken dem CSU–Vorsitzenden Franz Josef Strauß angeboten habe. Zum zweiten sei er nun gezwungen, von seinem Kurs der Konsolidierung der Staatsfinanzen abzurücken.

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