■ Bundesgesundheitsamt warnt vor britischem Rinderwahn: Von Menschen, Mäusen und Rindern
Das generelle Importverbot für Rinder, Rindfleisch und Rindfleischprodukte aus Großbritannien, das das Bundesgesundheitsamt (BGA) jetzt empfohlen hat, ist nicht neu: Es wurde schon mal am 1. Juni 1990 verhängt und hatte genau eine Woche Bestand. Dann einigte man sich aufgrund der wütenden britischen Proteste auf einen Kompromiß. Seitdem gibt es kaum neue Erkenntnisse über die „Bovine Spongiforme Enzephalopathie“ (BSE), den Rinderwahnsinn. Dadurch wird die BGA-Forderung jedoch keineswegs falsch – im Gegenteil: Gerade weil es bei dieser Seuche so viele Fragezeichen gibt, gerade weil der Erreger noch immer unbekannt ist, gehört der Export britischen Rindfleisches und sämtlicher Rindfleischprodukte weltweit verboten, auch wenn britische Wissenschaftler diesen Schritt auf dem BGA-Symposium vergangene Woche als „völlig unbegründet“ bezeichnet haben.
Die Beruhigungspillen, die sie verabreichten, basierten lediglich auf Versuchen mit Mäusen. Mäuse sind jedoch keine Menschen. Wenn eine Maus gesund und munter bleibt, nachdem ihr Gewebe aus einem Kuhhirn injiziert worden ist, bedeutet das noch lange nicht, daß auch Menschen den Genuß des Fleisches unbeschadet überstehen. Längst hat der Erreger die Artenbarriere übersprungen, und es ist nicht genau bekannt, inwieweit er sein Verhalten dem jeweiligen Wirt anpaßt. Solange aber ein Risiko besteht, müssen die Briten ihr Rindfleisch behalten.
Wenn Paul Brown vom US-amerikanischen Gesundheitsamt auf dem Symposium behauptet hat, daß die VerbraucherInnen Alternativen hätten, so hat er keine Ahnung: Niemand kann feststellen, ob die Fleischwurst im Supermarkt auch britisches Rindfleisch enthält. Es ist nicht einmal sicher, ob das angeblich niederländische Steak nicht seinen Ursprung auf einer Weide in Oxford hat. Ein generelles Verbot ist deshalb der einzige Schutz. Schließlich stellen auch die Briten ihre eigenen Interessen obenan: Zwar verhängten sie ein Futtermittelverbot für ihr Land, doch gelangte das infizierte Viehfutter weiter in den Export und verseuchte Tiere in anderen EU-Ländern.
Pikant ist, daß sich das BGA bei seiner Forderung ausgerechnet auf das Symposium vom vergangenen Donnerstag in Berlin beruft: Dieses Symposium ist von Gesundheitsminister Horst Seehofer erzwungen worden, weil er sich vom BGA schlecht informiert gefühlt hatte. Wie sich jetzt herausstellt, war das vielgescholtene BGA jedoch schon im Juni bei der Gesundheitsvorsorge wesentlich weiter als der Minister: Es hatte damals bereits ein Importverbot gefordert. Wenn Seehofer behauptet, er habe davon nichts gewußt, so wirft das ein schlechtes Licht auf sein Ministerium und auf ihn selbst. Ralf Sotscheck, Dublin
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