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■ Bundesgesundheitsamt untersagt legale Heroin-AbgabeUnterlassene Hilfeleistung

Kein Rettungssanitäter käme auf die Idee, einem schwer verletzten Autofahrer erst ein Bußgeld wegen Geschwindigkeitsüberschreitung abzuknöpfen, bevor er ihn aus dem demolierten Blechwrack befreit. Kein Feuerwehrmann würde einem Lebensmüden das rettende Sprungtuch verweigern, weil der Alimentenschulden hat und überdies auch einiges im Supermarkt mitgehen ließ. Die gesetzlich festgeschriebene Verpflichtung zur Hilfeleistung ist zum Glück nicht an die Gesetzestreue der Opfer geknüpft. Wer aus Lebensgefahr und Bedrohung nicht hilft, macht sich schuldig, egal ob der Hilfesuchende ein edler Mensch ist oder ein Schurke.

Doch für Drogenabhängige gelten in der Bundesrepublik immer noch andere Gesetze – durch wiederum andere Gesetze scheinbar legitimiert. Unter Berufung auf das Betäubungsmittelgesetz hat das Bundesgesundheitsamt jetzt ein Modellvorhaben der Stadt Frankfurt abgelehnt. Unter strenger ärztlicher Aufsicht sollten dort hundert hochgradig Abhängige ihren täglichen Stoff bekommen – die Dosis Heroin, die sie sich sonst nur mit Prostitution, Kriminalität, Gewalt und verhängnisvoller Selbstzerstörung beschaffen können. Aber die Gesundheitshüter der Nation wollen die Legalisierung selbst auf kleinstem, kontrolliertestem Nenner nicht genehmigen, weil sie „nicht primär der Therapie der Sucht dient“.

Niemand wird das bestreiten, auch die Befürworter der Modellprojekte nicht, die in Frankfurt und andernorts vergeblich auf grünes Licht warten. Längst geht es für einen Kreis von Junkies nicht mehr um Therapie, sondern um nacktes Überleben. Wer genauer hinschaut auf diese armseligen Gestalten in den Bahnhofsvierteln, Fußgängerpassagen oder Abrißhäusern erkennt mit bloßem Auge, daß dies kein pädagogisch-therapeutisch zu lösendes Problem mehr ist, sondern ein medizinisch-ethisches. Die staatliche Abgabe von Heroin rettet niemanden vor der Sucht, aber etliche vor dem Tod – vor tödlicher Ansteckung durch infizierte Nadeln oder fahrlässige Freier, vor lebensbedrohlicher Erkrankung des durch Dreck, Mangelernährung zusätzlich geschwächten Körpers, vor Gewalt und Illegalität und vor dem tödlichen Schuß mit gepanschtem Stoff. Erst wenn das medizinische Überleben gesichert ist, läßt sich überhaupt an Therapie denken – und auch wenn nicht, wäre zumindest das getan, was auf jeder Intensivstation und in jedem Rettungshubschrauber mit unhinterfragtem Mammutaufwand täglich betrieben wird.

Das Bundesgesundheitsamt kennt alle diese Argumente. Es kennt auch die Modellprojekte in anderen europäischen Ländern, die diese Überlebenshilfe – Einwänden und öffentlichen Protesten zum Trotz – längst installiert haben. Das BGA hat sich – die kommenden Wahlkämpfe vor Augen, die jüngste Demontage durch den CSU-Gesundheitsminister im Rücken – bewußt für den weiteren Stillstand in der deutschen Drogenpolitik entschieden – und der wird für etliche tödlich sein. Vera Gaserow

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