: Bundesanwaltschaft gegen Mielke und Co.
■ Stasi verteilte ihre Gunst angeblich ausgewogen auf RAF und Neonazis/ BKA-Chef Zachert befürchtet Anschläge
Karlsruhe (dpa/taz) — Generalbundesanwalt Alexander von Stahl hat gegen den ehemaligen Stasi-Minister, Erich Mielke, gegen dessen Stellvertreter Gerhard Neiber und gegen „Unbekannt“ Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung der Roten Armee Fraktion (RAF) eingeleitet.
Es lägen Erkenntnisse vor, daß das MfS nicht nur in den Jahren 1980 bis 1982 die Einbürgerung gesuchter mutmaßlicher RAF-Mitglieder in der DDR organisiert, sondern auch 1987 und 1988 aktive RAF-Mitglieder bei der Kontaktaufnahme mit palästinensischen Oganisationen unterstützt habe, sagte von Stahl in Karlsruhe.
Die dafür zuständige Hauptabteilung XXII, die offiziell mit der Bekämpfung des Terrorismus betraut war, wurde von Neiber geleitet. Neiber befindet sich auf freiem Fuß, Mielke wegen anderer Vorwürfe seit längerem in Untersuchungshaft in der DDR.
Darüber hinaus liegen den Behörden Anhaltspunkte vor, daß der später vom Oberlandesgericht Frankfurt/Main rechtskräftig wegen versuchten Mordes und anderer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilte Rechtsextremist Odfried Hepp nach seiner Flucht in die DDR vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unterstützt wurde. Er soll mit einer neuen Identität, Bargeld, gefälschten Ausweispapieren sowie einer Legende ausgestattet worden sein. Dadurch sei ihm die Weiterreise in den Nahen Osten ermöglicht worden.
Die Erkenntnisse gründen sich nach Angaben der Bundesanwaltschaft auf Akten des inzwischen aufgelösten MfS, deren Inhalt den bundesdeutschen Ermittlungsbehörden teilweise bekannt geworden war. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes hatte daraufhin auf Antrag des Generalbundesanwalts die Beschlagnahme der Akten angeordnet.
Der Beschlagnahmebeschluß wurde dem Generalstaatsanwalt der DDR am 30. August vom Generalbundesanwalt mit der Bitte um Herausgabe der fast 200 Bände umfassenden Akten übermittelt. Diesem Ersuchen hatte der DDR-Generalstaatsanwalt entsprochen und die Akten am 7. September übergeben.
Unterdessen hat BKA-Präsident Zachert dem 'Stern‘ anvertraut, daß noch vor den gesamtdeutschen Wahlen am 2. Dezember mit weiterenRAF-Anschlägen und einem erneuten Hungerstreik der Gefangenen zu rechnen sei. Er habe diesbezüglich „große Sorgen“, meinte Zachert. Die Hamburger Illustrierte verlängert in der neuesten Ausgabe ihre in der vergangenen Woche mit Kanzler Kohl und Daimler-Benz-Chef Reuter eröffnete „RAF-Todesliste“. Danach hat die RAF außerdem die Minister Theo Waigel (CSU) und Hans Engelhard (FDP), die beiden Chefs der Deutschen Aerospace, Jürgen Schrempp und Johann Schäffler, und den Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans Peter Stihl, im Visier.
Nach einer „grundlegenden Strategiediskussion bei der Terrorismusbekämpfung“ sind die „Sicherheitsexperten“ laut 'Stern‘ zu tiefsinnigen Erkenntnissen gelangt: Die neuen Feindbilder der RAF heißen danach „Europa 92“ und „Großdeutschland“. Gerd Rosenkranz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen