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BürgerrechtlerInnen besetzen Stasi-Archiv

■ BesetzerInnen fordern unabhängige Kontrolle der Akten und Verwaltung durch die Länder auf DDR-Gebiet

Berlin (ap) - Mehrere Dutzend Personen haben am Dienstag mittag das Archiv des früheren Ministeriums für Staatssicherheit in Ost-Berlin besetzt. In dem Archiv werden Akten über rund sechs Millionen Menschen verwahrt, die Stasi -Spitzel in den letzten 40 Jahren zusammengetragen haben. Die Besetzer fordern die Lagerung der Akten auf dem Gebiet der DDR und eine staatlich unabhängige Kontrolle. Sie wollen im Gebäude bis zu einer „vernünftigen Klärung“ auf der nächsten Tagung der Volkskammer am Donnerstag ausharren. Am Nachmittag bekamen sie Besuch von Volkskammerpräsidentin Bergamnn-Pohl, die anschließend de Maiziere informierte.

Unter den BesetzerInnen sind Bärbel Bohley, Ingrid Köppe und die Witwe des früheren DDR-Regimekritikers Robert Havemann, Katja Havemann. Carlo Jordan von der Stiftung Antistalinistische Aktion, die sich um die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit bemüht und in dem Gebäude in der Normannenstraße ihren Sitz hat, sagte, die Akten müßten unbedingt unter der Verwaltung der zukünftigen Bundesländer der DDR stehen. Es sei auch ungenügend, daß DDR-Bürger nur über einen Mittelsmann Einsicht in ihre Akten nehmen könnten. Ein Beschluß des Runden Tisches habe erklärt, jeder DDR-Bürger müsse Einsicht in seine Akten bekommen.

Die Volkskammer hatte vor zwei Wochen mit großer Mehrheit beschlossen, die Akten unter die Obhut der DDR-Länder zu stellen und jedem DDR-Bürger Einsicht zu geben. Im deutsch -deutschen Einigungsvertrag jedoch war geplant, die Akten nach Koblenz zu transportieren und sie dem Bundesarchiv zu unterstellen. Einsicht sollten Bürger nur bei „berechtigtem Interesse“ bekommen. Erst nach einem energischen Protest der Volkskammer und einem fast einmütigen erneuten Beschluß vom letzten Donnerstag wurde die Passage im Vertrag noch geändert. Die Akten sollen nun in Ost-Berlin bleiben, jedoch werden nicht die Länder, sondern ein von der Bundesregierung ernannter Beauftragter die Akten verwalten. Die Einsicht in die Akten bleibt eingeschränkt.

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