■ Bürgerrechtler gibt „Junger Freiheit“ Interview: Mit Rechten reden?
Bei den Grünen gibt's mal wieder Zoff. Wolfgang Templin, Gründungsmitglied der Bürgerrechtsgruppe „Initiative für Frieden und Menschenrechte“ und eine der Autoritäten beim Bündnis 90, hat der rechtsradikalen Postille Junge Freiheit vor kurzem ein Interview gegeben. Das mußte zu einem Aufschrei in der Partei führen – was offenkundig auch die Intention des „Gesprächs“ war. Er wolle „Verbotszonen“ durchbrechen und Tabuisierungen der hiesigen Diskussionskultur auf den Prüfstand stellen, begründet Templin seinen Ausbruch aus dem eigenen Lager – man müsse sich auch mit den Argumenten der anderen Seite auseinandersetzen. Muß man das?
Es gibt auf diese, erst einmal abstrakte Frage eine praktische Antwort. Ich muß mich nicht per se damit auseinandersetzen, wenn jemand behauptet, eine multikulturelle Gesellschaft sei Rassenschande, sondern erst dann, wenn eine solche Auffassung droht, politische Wirkung zu erzielen. Auseinandersetzen bedeutet, potentielle Adressaten rechter Ideologen davon zu überzeugen, nicht auf solches Gewäsch hereinzufallen und dafür jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen. Das kann eine Veranstaltung im Jugendzentrum sein, eine Debatte am Büchertisch rechter Propagandisten in der Fußgängerzone oder ein Streitgespräch im Fernsehen: Jedes Forum ist sinnvoll, das die Möglichkeit bietet, rechten Parolen argumentativ entgegenzutreten. Die reine Ignoranz hilft nicht weiter, der Versuch, die Wortführer der Rechten unter Quarantäne zu stellen, um so die Verbreitung ihrer Theorien zu verhindern, ist längst gescheitert.
Also rein in Junge Freiheit, Mut, critikon und wie die Traktate der neuen Rechten alle heißen? Templin hat mit seinem Interview exemplarisch vorgeführt, warum man dies tunlichst lassen sollte, jedenfalls wenn man damit die Absicht verbindet, rechter Propaganda entgegenzutreten. Erst einmal adelt er die Macher der Postille ausdrücklich als Demokraten – sonst würde er ja auch nicht mit ihnen reden. Und dann läßt er sich in ein Gespräch verwickeln, in dem es hauptsächlich um angebliche linke Versäumnisse bei der Inanspruchnahme der nationalen Frage geht. Im besten Falle hat er sich bei diesem Interview übel über den Tisch ziehen lassen, im schlechtesten hat er sich bewußt mit den cleversten white-collar-Rechtsradikalen gemein gemacht, um seinen innerparteilichen Gegnern bei den Grünen an den Karren zu fahren. Daß jetzt einige Grüne angeblich von Parteiausschluß reden, ist eine völlig überflüssige Dramatisierung. Das Forum, über das Templin seine Argumente vorträgt, denunziert diese von ganz alleine – mehr konnte er sich selbst kaum schaden. Jürgen Gottschlich
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