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Bürgerkrieg in SyrienOffensive gegen Rebellen in Idlib

Während des Besuchs von Kofi Annan greifen Regimetruppen Hochburgen der Opposition an. Die Gespräche in Damaskus bleiben zunächst ohne Ergebnis. Annan zeigt sich „tief besorgt“.

Kofi Annan spricht im Präsidentenpalast in Damaskus mit Bashar al-Assad, seiner Beraterin Shaaban und Aussenminister Muallem. Bild: dpa/sana

BERLIN dpa/afp | Während eines Besuchs des UN-Sondergesandten Kofi Annan in Syrien haben Regierungstruppen eine seit Längerem erwartete Offensive gegen Hochburgen der Opposition im Norden des Landes gestartet.

Aktivisten berichteten am Sonntag von Angriffen in der Provinz Idlib und auf Viertel der Stadt Homs. Zahlreiche Familien flohen mit ihren Habseligkeiten aus der Stadt Idlib. In den Straßen waren bewaffnete Kämpfer der Opposition zu sehen, die bei Zusammenstößen mit Regierungstruppen Deckung suchten.

Verletzte wurden mit Lastwagen zur Behandlung in Krankenhäuser gebracht. Auf der türkischen Seite der Grenze war andauerndes Artilleriefeuer in Idlib zu hören. Nach Angaben der Beobachtungsstelle für Menschenrechte kamen am Samstag landesweit mehr als 90 Menschen ums Leben.

Annan zeigte sich „tief besorgt“ über die Lage in Syrien. Bei einem Gespräch mit Präsident Baschar al-Assad hatte er mehrere Vorschläge für einen Stopp der Gewalt und zur Aufnahme eines Dialogs vorgelegt, war jedoch abgewiesen worden. Laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Sana erklärte Assad, dass jeglicher Dialog zum Scheitern verurteilt sei, „solange es bewaffnete Terrorgruppen gibt, die darauf hinarbeiten, Anarchie zu verbreiten und das Land zu destabilisieren“. Am Sonntag kam Annan erneut mit Assad zusammen. Im Anschluss gab er sich optimistisch. Gleichwohl gebe es keine Vereinbarung, um das Blutvergießen zu beenden.

Der UN-Sondergesandte traf am Samstag auch Vertreter der Opposition. Als Vorbedingungen für den Beginn eines Dialogs nannten sie den Abzug sämtlicher Truppen aus den Städten und die Freilassung von politischen Gefangenen. „Ohne eine Waffenruhe können wir nicht über einen politischen Prozess sprechen“, sagte der Oppositionelle Abdel Asis al-Cheir.

China und Russland tragen Annans Besuch mit

Annans Besuch wird auch von China und Russland mitgetragen, die bereits mehrfach im UN-Sicherheitsrat eine gegen Assad gerichtete Resolution mit ihrem Veto verhinderten. Der russische Außenminister Sergei Lawrow machte bei einem Treffen mit der Arabischen Liga in Kairo am Samstag deutlich, dass sein Land weiterhin jegliche „grobe Einmischung“ in Syrien ablehne.

Trotz erheblicher Meinungsverschiedenheiten einigten sich Russland und die Arabische Liga auf eine gemeinsame Erklärung zu dem Konflikt. Die Gewalt, „woher sie auch kommt“, müsse beendet werden, hieß es darin. Die arabischen Minister veröffentlichten aber noch eine eigene Mitteilung, in der sie die wochenlange Bombardierung des Stadtteils Baba Amr in der Rebellenhochburg Homs als ein Vorgehen verurteilten, „das Verbrechen gegen die Menschlichkeit nahe kommt“.

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5 Kommentare

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  • A
    Ant-iPod

    Sehr geschätzter Hari Seldon,

    mir ist unklar, was Sie an meinen Äußerungen als missionarisch empfinden?

     

    Ich stehe für Demokratie und Freiheit ein und bin froh in einem Land zu leben, wo diese Werte gelten.

    Nach meinem Verständnis ist eine enorme Zahl an Syrern gewillt, unter eben solchen Umständen zu leben. Da wäre es doch toll, wenn man feststellen könnte, was die Mehrheit eines Volkes will - bsw. indem man ein demokratisches System einführt.

    Dafür bin ich in der Tat - Sie nicht?

     

    Deswegen schreibe ich keinem Menschen vor, wie er zu leben hat - jeder Syrer, der in einer Demokratie unbedingt weiter von 17 Geheimdiensten überwacht und durch einen Clan ausgebeutet werden will, darf das doch in einer Demokratie.

    Bei uns zahlen Leute Geld im Bordell, um sich auspeitschen zu lassen, es gibt eine ganze S/M-Szene - wem es gefällt, der soll das tun.

    Aber die Menschen einfach zu zwingen oder zu töten - dagegen bin ich.

    Wenn das Missionierung ist - dann haben Sie Recht.

     

    Damit kann ich dann aber gut leben - eben weil es mir nicht darum geht, anderen Vorschriften zu machen, sondern einem jeden Menschen zu ermöglichen, sich möglichst frei zu entfalten.

  • HS
    Hari Seldon

    @anti-ipod:

     

    Missionäre wie Sie wurden normalerweise gegrillt, und waren überal NICHT erwünscht. Sie haben keinen Anspruch für missionäre Tätigkeiten. Aufzwingen von der eigenen Lebensweise für andere Menschen ist nichts mit Demokratie zu tun, sondern mit Faschismus pur.

     

    Es ist sehr bemerkenswert, dass TAZ in Namen der Demokratie solche undemokratischen Werten unterstützt, und mit den einschlägigen TAZ-Artikeln für solche nicht ganz liberalen und linken Werten als Sprachror dient. Manchmal muss ich die Frage stellen: Lese ich CNN, BLÖD-Zeitung oder TAZ? Oder alle sind gleich? Wie ich es verstanden habe, gehört das Akzeptieren von anderen Lebensformen und Lebensweisen zu den grundlegenden demokratischen Werten. Bis zum Zähne bewaffneten "friedlichen und unbewaffneten" Zivilisten und Aktivisten (Terroristen) nicht.

     

    Nur zu Ihrer Info: Georgien hat sein Nachbarland angegriffen, und nicht umgekehrt.

  • A
    Ant-iPod

    nur mal nicht ganz so kurz... lieber toddi:

     

    Abgesehen davon, dass Sie kein anderes Argument von mir entkräften - haben Sie absolut Recht: Ich war ungenau!

    Ich hätte sagen sollen, dass dies so ziemlich die einzige Grenze Israels ist, an der nicht in Richtung Israel gefeuert wurde.

     

    Und wenn Sie schon diese "Demonstrationen" erwähnen, die pro-palästinensisch gewesen sein sollen, dann können Sie sich ja einmal die Zeit nehmen und hinterfragen unter welchen Umständen es zu diesen Demonstrationen gekommen ist und warum weder davor, noch danach Vergleichbares geschehen ist...

    "Böse, imperialistische Interventionisten" würden behaupten, das dass syrische Regime diese inszeniert hat, in einem plumpen Versuch unter Hinweis auf den "äußeren Feind" von den eklatanten Missständen im eigenen Land abzulenken.

    Dieses ziemlich billige Manöver ist allerdings wirkungslos verpufft und wurde - trotz hinreichend Anlass - nicht mehr wiederholt.

     

    Warum es zu den Schüssen der israelischen Soldaten kam ist, meiner Kenntnis nach, strittig.

     

    Schade - ich dachte Sie bringen etwas substantielles in die Diskussion ein...

  • T
    toddi

    nur mal kurz

    Zitat:"Die syrisch-israelische Grenze ist so ziemlich die Einzige, an welcher seit Jahrzehnten kein Schuss gefallen ist."

    Grenze zu Syrien: Israelische Soldaten erschießen Demonstranten

    zuletzt aktualisiert: 05.06.2011 - 15:28

    Beirut/Madschdal Schams (RPO). Auf den Golanhöhen ist es am Sonntag abermals zu tödlichen Zusammenstößen zwischen propalästinensischen Demonstranten und israelischen Soldaten gekommen. Die Soldaten eröffneten über die syrische Grenze hinweg das Feuer auf die Menge, die sich der Grenzbefestigung näherte. Dabei wurden nach Angaben des syrischen Fernsehens vier Menschen getötet, darunter ein zwölfjähriger Junge. 15 Menschen wurden verletzt.

    Schade, ich dachte Sie geben sich mehr "Mühe" bei Ihrer Recherche ...

  • A
    Ant-iPod

    Kann mir mal jemand erklären, was das Theater mit Kofi Annan soll?

     

    Wir wissen, dass Assad die Massenproteste der Bevölkerung nicht wahr nimmt und unwillens ist, die Probleme des Landes mit politischen Reformen zu lösen. Er hat sich für die Gewalt entschieden und ihm entgegnet nun Gegengewalt.

    Wir wissen auch, dass Europa, die USA und Israel keinen Krieg mit Syrien wünschen, weil sie dessen Entwicklung für unvorhersehbar halten.

    Die syrisch-israelische Grenze ist so ziemlich die Einzige, an welcher seit Jahrzehnten kein Schuss gefallen ist.

    Was kümmert uns also das Leben von Arabern, die sich gegenseitig töten, oder von ihrer Regierung geschlachtet werden? - Eben: gar nichts; zumindest verhalten wir uns so.

     

    Dieser Annan-Besuch ist doch Alibi-Politik, die ein Eintreten für Menschenrechte vortäuschen soll, während wir de facto nichts substantielles tun, außer ein paar Wirtschaftssanktionen.

    Hat hier irgendjemand ein offizielles Statement bsw. unserer Regierung gehört zum Engagement unserer Firmen in Syrien? Bsw. der Siemens-Kraftwerksdeal - arbeiten die nicht weiter wie gehabt?

     

    Wir erlassen Einreiseverbote für Angehörige des Regimes - echt wirkungsvoll, wenn Assad ohnehin Ausreiseverbote für Funktionäre erlassen hat.

    Wir beschweren uns lautstark über Russlands und Chinas Haltung zur UN-Resolution - aber was tun wir?

    Eben: Gar nichts!

     

    Es wäre uns ein Leichtes - und alles andere als ein Präzedenzfall, wenn wir auf Engagements wie den Irak & Serbien (im Falle des Westens) oder Georgiens (im Falle Russlands) schauen - auch ohne die VN der Mehrheit der arabischen Liga zu folgen und einerseits weitergehende Sanktionen zu beschließen - und andererseits bsw. Waffenlieferungen an Syrien zu unterbinden. Russland wird protestieren, aber nicht für Syrien einen Konflikt mit der NATO provozieren - schlichtweg, weil es militärisch nicht mithalten kann.

     

    Das kostet natürlich Geld und birgt Risiken. Aber sollten uns unsere Werte dies nicht wert sein?

     

    Assad hat gezeigt, dass er kein Interesse an Demokratie hat - da braucht man nur die so genannte neue syrische Verfassung zu lesen, welche selbst Al-Baath kritisiert hat, bsw. weil sie vorschreibt, dass der Präsident einer Republik Muslim sein muss, obwohl die Religionen doch gleichberechtigt sein sollen???

     

    Wollen wir nun - da sich unsere demokratischen Werte in einer Region durchsetzen, die einige hier immer noch Arrogant für rückständig, religiös verblendet oder durchweg radikalisiert halten - allen ernstes eben diese Werte, nach denen die Menschen dort streben verraten und sie im Stich lassen?

    Unsere Art zu leben setzt sich dort gerade durch und es gereicht uns strategisch zum Vorteil, wenn uns die Menschen dort als Vorbild, unsere Lebensweise als erstrebenswert betrachten.

    Menschen, die uns nacheifern sind weniger geneigt, uns mit Bombenattentaten zu überziehen, nicht wahr?

     

    Anstatt diese historische Chance als solche zu begreifen, sie zu nutzen und unserem "Way of Life" voran zu treiben, betreiben wir mit Herrn Annan nichts weiter als Alibi-Politik.

    Wir verraten unsere Werte und tragen dazu bei, diese unglaubwürdig zu machen.

     

    Herr Assad hat als Präsident jederzeit die Gelegenheit, per Erlass und durch Gesetzesinitiativen die Probleme seines Landes politisch zu lösen. Wenn er sich dagegen entscheidet, ist es unser ureigenstes Interesse, strategisch, wie Gesellschaftspolitisch, diejenigen zu unterstützen, die sich nach Freiheit und Demokratie, ein Leben in Würde und Chancengerechtigkeit sehnen.