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Bürgerkrieg in SyrienAngriffe mit Helikoptern und Artillerie

Trotz Angriffen der Regierungstruppen mit Panzern und Flugzeugen halten sich die Rebellen in Aleppo. Oppositionsvertreter fordern eine Flugverbotszone und Waffenlieferungen.

Zivile Opfer: Wie schon in Homs soll es auch in Aleppo Luftangriffe auf Wohngebiete gegeben haben. Bild: dpa

ALEPPO afp | Trotz einer militärischen Großoffensive haben die syrischen Regierungstruppen die Wirtschaftsmetropole Aleppo zunächst nicht wieder unter ihre Kontrolle bringen können. Die Armee griff die Stadt im Nordwesten Syriens am Sonntag den zweiten Tag in Folge mit Panzern, Artillerie und Helikoptern an, doch konnten sich die Aufständischen in mehreren umkämpften Vierteln behaupten, wie ein AFP-Reporter aus Aleppo berichtete.

Nach Angaben eines Aufständischen, der seinen Namen mit Abu Alaa angab, setzte die Armee den Beschuss des Viertels Salaheddin am Sonntag fort, in dem die Aufständischen am Vortag eine Bodenoffensive zurückgeschlagen hatten. Salaheddin ist eine der Hochburgen der Aufständischen in Aleppo.

Zudem gebe es Gefechte in den Vierteln Bab al-Nasr, Bab al-Dschadid und in der historischen Altstadt. In den engen Gassen und überdachten Märkten des als Weltkulturerbe gelisteten Viertels könne die Armee ihre Panzer nicht einsetzen, sagte Abu Alaa.

Die verbliebenen Einwohner Aleppos suchten in Kellern Schutz vor dem Beschuss aus Panzern und Helikoptern, wie der AFP-Reporter weiter berichtete. Die Aufständischen in Salaheddin versuchten, eine strategisch gelegene Polizeiwache einzunehmen, um eine Verbindung zu Rebellen im benachbarten Viertel Sachur herzustellen.

Rebellen fordern Flugverbotszone

Abdel Dschabbar al-Okaidi, ein Oberst der Freien Syrischen Armee (FSA) und Militärchef der Rebellen in Aleppo, sagte, sie hätten „acht Panzer und einige gepanzerte Fahrzeuge zerstört und mehr als hundert Soldaten getötet“. Sie selbst hätten nur drei Kämpfer verloren, es seien durch die Luftangriffe aber viele Zivilisten getötet worden. Al-Okaidi forderte vom Westen daher die Einrichtung einer Flugverbotszone. Mit einer derartigen Zone werde die FSA die Regierung bald stürzen können, sagte al-Okaidi.

Angesichts der Kämpfe in Aleppo rief der internationale Syrien-Sondergesandte Kofi Annan Regierungstruppen und Rebellen zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts auf. Er fordere alle Konfliktparteien auf, jedes weitere Blutvergießen zu vermeiden, erklärte Annan am Samstagabend in Genf.

Der Präsident des oppositionellen Syrischen Nationalrats (SNC), Abdel Basset Sajda, forderte befreundete Staaten auf, die FSA mit Waffen zu versorgen. „Wir wollen Waffen, welche die Panzer und Kampfflugzeuge stoppen würden“, sagte Sajda. Staatschef Baschar al-Assad müsse wegen der „Massaker“ an Syrern vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden.

Die regierungstreue Zeitung Al-Watan schrieb, die Regierung habe einen „sehr schwierigen Einsatz“ in Aleppo begonnen, um „die Bewohner aus den Händen der aus verschiedenen Teilen der Welt entsandten Terroristen“ zu befreien. Nach Angaben des AFP-Reporters kämpfte auf Seiten der Rebellen eine aus ausländischen Kämpfern gebildete sogenannte Brigade Vereinigter Mudschahedin.

Nach Angaben der den Rebellen nahestehenden Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London wurden allein am Samstag landesweit 168 Menschen getötet, darunter 94 Zivilisten, 41 Soldaten und 33 Rebellen. Am Sonntag starben demnach vier Menschen bei den Kämpfen. Neben Aleppo gab es der Organisation zufolge auch Gefechte um das Hauptquartier der Polizei in der Rebellenhochburg Homs.

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8 Kommentare

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  • A
    Ant-iPod

    @toyak:

     

    Ich denke, dass wir beide uns bis auf die Einschätzung der Gewalt, die vom Regime ausgeht, ansonsten ziemlich einig sind.

     

    Mir bleibt da aber noch eine Frage - da Sie von baldigen Wahlen als Vorschlag gesprochen haben.

    Nur einen Termin anzusetzen und Stimmzettel auszugeben, ist ja noch nicht das Gleiche, wie Wahlen abzuhalten, wie die Pseudo-Abstimmung vom 07.05. zeigt.

     

    Für Wahlen ist es erforderlich, dass sich politische Meinungen durch Kandidaten und/oder Parteien manifestieren. Das Wahlen frei, gleich und geheim sind, Wahlbetrug ausgeschlossen werden kann, Wahlen unbeeinflusst stattfinden (also nicht durch Gewaltandrohung ein Abstimmverhalten erzwungen wird) - etc.

     

    Sie werden sicher zustimmen, dass diese Rahmenbedingungen derzeit in Syrien nicht herrschen und erst hergestellt werden müssten - was ja einer meiner Hauptkritikpunkte an Baschar ist, denn dazu hatte er die letzten 12 Jahre mehr als genug Zeit.

     

    Hierzu wüsste ich gerne von Ihnen, wie Sie sich vorstellen, dass diese Veränderung vorgenommen wird, bzw. inwiefern Sie es als realistisch einschätzen, dass Baschar diese Änderungen vornehmen wird - und warum Sie das so sehen?

  • T
    toyak

    an: Ant-iPod

     

    Ich habe nicht behauptet, dass man das Feindstrafrecht einführen würde. Vielmehr habe ich aufzeigen wollen, was gefordert worden wäre, wenn "Oppositionelle" mit solchen Waffen die Polizei in Deutschland angreifen würde. Einen Vergleich habe ich mit Deutschland insoweit nicht gezogen.

     

    Der Präsident schlachtet nicht das eigene Volk. Da definieren Sie den Begriff des Volkes anders. Wer mit solchen Waffen, wie im Video zu sehen ist, einsetzt, kann nicht erwarten, dass die Soldaten nicht zurückschießen werden.

     

    Ich überlasse Ihnen die Antwort auf Ihre Frage, wo meine Kritik an Präsident al Assad ist. In meinen Kommentaren habe ich stets betont, dass al Assad viele Fehler begangen hat, dass die Armee auch unschuldige getötet hat usw.

    Mein Vorschlag ist:

    1. Keine Kämpfe mehr

    2. Dialog mit Opposition unter Einschluss aller ethnischen Minderheiten in Syrien.

    3. Abhalten von Wahlen in Kürze, bei der auch der Präsident al Assad kandidiert.

    4. Ausarbeitung einer Verfassung durch eine Kommission, die vom neu gewählten Parlament gebildet wird.

    5. Die Verankerung von Menschenrecht und vor allem der Schutz der Menschenwürde in der Verfassung.

    6. Verankerung und Sicherung von Minderheitenschutz in der Verfassung.

  • A
    Ant-iPod

    @toyak:

     

    Doppelzüngigkeit und Doppelmoral Eurpäischer und US-Amerikanischer Politik stelle ich nicht in Zweifel.

     

    Wohl aber möchte ich einige Ihrer Punkte aufgreifen:

    1. Feindstrafrecht wäre nach der deutschen Verfassung nicht einführbar, da es gegen Artikel 1 unserer Verfassung verstößt, der nicht durch das Parlament geändert werden kann, sondern nur durch Erlass einer neuen Verfassung per Referendum, das auf Bundesebene gar nicht vorgesehen ist.

     

    Deutschland ist da juristisch sehr penibel und akkurat, bsw. werden die so genannten somalischen "Piraten" nicht etwa (was auch legal wäre) nach internationalem Seerecht beurteilt, sondern sie kommen, wenn von deutschen aufgegriffen, in Deutschland vor ein deutsches Gericht und werden nach deutschem Gesetz beurteilt.

    Kein Guantanamo, kein Feindstrafrecht, keine Doppelstandards!

     

    Sorry, aber darauf lege ich als Deutscher großen Wert, dass hier nicht alle in einen Topf geworfen werden und man bsw. das Assad Regime mit unserer Grundordnung vergleicht.

     

    2. Der syrische Präsident lässt de facto sein eigenes Volk abschlachten. Das dieses sich nunmehr dessen erwehrt, relativiert das Verbrechen doch nicht.

     

    Sehen Sie sich die Bilder von Homs an.

    http://www.therevoltingsyrian.com/

     

    Der Auslöser für die Gewalt waren gefolterte Kinder, die Parolen aus dem Fernsehen nachgerufen haben... die Menschen gingen auf die Straße und wurden stets gewaltsam unterdrückt, von Anfang an.

    Als der Gouverneur von Hama die Demonstration zuließ und an drei Tagen jeweils über 500.000 Syrer in Hama demonstrierten, wurde er abgesetzt und dem Volk wieder mit Gewalt begegnet.

     

    Seither eskaliert die Gewalt von Tag zu Tag mehr. Seither sind es nicht vereinzelte Irre, sondern organisierter Widerstand des Volkes gegen Unterdrückung und Mord.

     

    Jetzt können Sie fragen, wie man denn gegen die Gewalt der Opposition als Staat vorgehen sollte und dazu haben Sie selbst das Beispiel Stuttgart 21 gebracht:

    Die Polizei stand danach in der Kritik und das Verhalten hat sich bisher nicht wiederholt. Die Politik indes hat einen runden Tisch gemacht und ausdrücklich alle mit eingebunden. Assad bindet die Opposition nicht ein, er ignoriert sie völlig. Friedliche, politische Opposition findet in den Assad-Medien nicht statt - da sie aber YouTube verwenden, wissen sie, dass es diese gibt.

     

    Schlimmer noch, Assad bezeichnet Regime-Profiteure, Lakaien und Speichellecker als Opposition, nur weil sie nicht zu Al-Baath gehören. Wirkliche Opposition wird in Assad-Syrien gar nicht zugelassen.

    Die Aufhebung des Ausnahmezustands hat nicht etwa Versammlungsfreiheit gebracht, wie sie die ursprüngliche Verfassung einmal vorsah - nein, die Verhaftungswellen sind nur noch schlimmer geworden. Die syrischen Gefängnisse sind überfüllt und Folter verwenden wir hier bei uns auch nicht an Gefangenen.

    Im Gegenteil musste hier ein Polizeichef sogar in den Ruhestand gehen und sich vor Gericht verantworten, weil er einem Kindesentführer und -mörder im Verhör Folter angedroht hat.

     

    Bei uns treten Präsidenten zurück, wegen einer fragwürdigen Eigenheimfinanzierung - darüber kann Assad mit seinen Milliarden vom syrischen Volk erbeuteten Dolllar ja nur lachen.

     

    Die Liste geht endlos weiter, weswegen ich mir bei aller berechtigten Kritik einen Vergleich des Assad-Regimes mit den Zuständen in Deutschland verbitte.

     

    Wir setzen die Armee prinzipiell nicht im Inneren ein, das ist gesetzlich verboten. Assad setzt die Armee ein, um sein Volk zu schlachten und auch dazu finden Sie bei Youtube zahllose Belege.

     

    3. Wo ist Ihre Kritik an Assad? Wo ist Ihr Einfordern politischer Antworten auf die gegenwärtige Krise in Syrien? Welche Vorschläge machen Sie?

  • E
    e.a.

    Opposition ist nicht gleich Opposition. Es erinnert mich etwas an Afghanistan der 80er und 90er. Letztendlich ist Syrien Austragungsort eines Stellvertreterkrieges der alten Lager aus dem Kalten Krieg: USA (inkl. dem ganzen Westen) & Russland (inkl. China).

  • T
    toyak

    Welche Logik hinter der Überschrift steht, erschließt sich mir nicht. Soll die syrische Regierung tatenlos zusehen, wie die eigene Bevölkerung durch "Oppositionelle" terrorisiert wird?

     

    TAZ und viele andere vorzeige Medien behaupten, dass der Präsident al Assad auf eigenes Volk schießen lässt.

    Dann sollte man sich folgendes Video bei Youtube angucken, um das gemeinte Volk zu erkennen:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=sXkOK4FnkQI&feature=relmfu

     

    Vor nicht langer Zeit wurde gegen Stuttgart 21 demonstriert und die Gewalt gegen Demonstranten wurde damit begründet, dass die Demonstranten gewalttätig wären. Vor allem wurde von der Bild Zeitung der Demonstrant, der fast erblindet ist, als gewalttätig eingestuft, weil er paar Kastanien (ober kleine Steine in Größe einer Kastanie) in Richtung des Wasserwerfers geworfen hat.

     

    Ich kann mir aber ganz ehrlich nicht vorstellen, mit welcher Härte man gegen Personen (die also Volk bezeichnet werden), die solche Waffen wie im Video gegen die Soldaten einsetzen würden, vorgegangen wäre.

     

    Die Medien im Westen hätten gar die Einführung der Todesstrafe gefordert oder zumindest Errichtung von weiteren Guantanamos gefordert. Einige würden gar die Einführung eines Feindstrafrecht für solche Personen verlangen, so der Rechtswissenschaftler und Philosoph Günther Jakobs (http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnther_Jakobs, vgl. dort vor allem der in der Fußnote 21 genannte Artikel).

     

    Was machen aber unsere Politiker und unsere Medien (die der Wahrheit und nicht Interessenwahrung verpflichtet sein sollten)? Sie schreiben ohne zu zögern, dass der syrische Präsident das eigene Volk abschlachte.

    Soweit zu der Doppelmoral und der Interessenwahrung und -verfolgung um jeden Preis in der westlichen Politik und Medien…

  • JK
    Jürgen Kluzik

    Q D.J.

     

    In Deutschland steht auf der Seite der Assad-Erbmonarchie nur noch Putins Gesindel und der faschistische Abschaum.

  • J
    Jojo

    Dies ist kein Bürgerkrieg: da die Kämpfer ihren Sold - ja Sold - aus Katar und Ägypten bekommen. Die Waffen ebenfalls und die Logistik besorgt die Türkei, Briten, etc. selbst.

     

    Der Großteil der Syrer wird durch diese Auseinandersetzung in die Arme der herrschenden Elite gepresst.

     

    Denn lieber eine eigene Regierung haben, als eine vom Ausland gesteuerte. Getreu dem Motto:

    Lieber tot als Sklave.

     

    Die Taz hat sich unwiederruflich auf die Unterstützung der Kämpfer festgelegt, und damit eine pazifistische Lösung verneint.

  • D
    D.J.

    "Nach Angaben des AFP-Reporters kämpfte auf Seiten der Rebellen eine aus ausländischen Kämpfern gebildete sogenannte Brigade Vereinigter Mudschahedin."

     

    Der internationale Dschihadistenabschaum halt.