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■ Bürgerkrieg in AserbaidschanEin Kampf zwischen Verlierern

Der Aufstand des Generals Surat Gussejnow gegen Präsident Abdulfes Elschibej ist der letzte Akt eines verlorenen Krieges. Beide waren angetreten, die Armenier der Enklave Berg-Karabach zu unterwerfen und beide haben verloren. Jetzt geht es darum, den Sündenbock auszumachen. Gussejnow hat sich dieser Rolle mit dem äußersten, einem Militär zur Verfügung stehenden Mittel widersetzt. Als Elschibej ihn nach der verlorenen Schlacht um Kelbadschar als Oberbefehlshaber der aserischen Truppen in Karabach feuerte, reagierte er mit einer Meuterei. Mit dem Vorwurf, Elschibej habe ihn im Krieg nicht ausreichend unterstützt, fordert er den Rücktritt des Präsidenten und die Klarstellung der Schuldfrage in seinem Sinne. Jetzt stehen die meuternden Truppen vor Baku und Aserbaidschan befindet sich im Bürgerkrieg.

Der Krieg um die Schuldzuweisung zeigt vor allem, wie weit die aserbaidschanische Politik sich in eine Sackgasse manövriert hat. Als die aserbaidschanische Volksfront den alten KP-Potentaten Mutalibow stürzte, versprach der neu gewählte Präsident Elschibej seinen jubelden Anhängern einen schnellen Sieg in Karabach als oberste Priorität seiner Regierung. Kompromisse waren nicht geplant, die vollständige Unterwerfung mußte es sein. Jetzt, die militärische Niederlage vor Augen, kann Elschibej nicht mehr umsteuern.

Der demokratisch gewählte Dissdent hat sich auf einen Krieg fixiert, den er verloren hat. Dabei hat er sich auch außenpolitisch verkalkuliert. Der Austritt aus der GUS und die latente Konfrontation mit Rußland haben das Land stärker geschwächt, als die intensiven Beziehungen zur Türkei wettmachen konnten. Die Erwartung in Baku, die Türkei würde eine aserbaidschanische Niederlage nicht zulassen und vorher direkt militärisch eingreifen, zeigt, wie naiv diese Volksführer sind. Jetzt einen politischen Ausweg zu finden ist Elschibejs Sache nicht und deshalb kämpfen nun Aserbaidschaner gegen Aserbaidschaner.

So makaber es ist: Die einzige Hoffnung des Landes ist nun das KDPSU-Fossil Alijew, der Mann, der Aserbaidschan unter Breschnew beherrschte. Er muß nun, als neuer Ministerpräsident, seinen Landsleuten klarmachen, daß die Zugehörigkeit der Enklave Berg-Karabach zu Aserbaidschan für die Entwicklung des Landes nicht die entscheidende Frage ist. Er muß einen Kompromiß finden, der es den Militärs erlaubt, ihr Gesicht zu wahren und trotzdem den realen Kräfteverhältnissen Rechnung trägt. Die Hoffnung ist, daß es Alijew gelingt, nationalistischen Überschwang durch ökonomische Rationalität zu ersetzen. Mit den von amerikanischen Prospektoren erkundeten neuen Ölfeldern hat er einen starken Trumpf in der Hand. Frieden kann in Baku schneller als anderswo in der Ex—UdSSR auch zu Wohlstand führen. Jürgen Gottschlich

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