■ Bündnisgrüne und Fusion: Kein Durchwurschteln
Vier Jahre verstrichen, und die Fusion entlockte vielen bei den Bündnisgrünen kaum mehr als ein müdes Gähnen. Das Thema, komplex wie kaum ein anderes, abstrakt zumal und daher kaum zu greifen, war und ist kaum dazu angetan, Emotionen zu wecken. Zweieinhalb Monate vor der Volksabstimmung aber erwachen nun die müden Geister. Ein Teil der Bündnisgrünen rafft sich nun auf, stellt den mühsam errungenen Kompromiß in Frage. Lieber nichts empfehlen, lautet plötzlich der Wunschtraum einiger Antragsteller für den kommenden Landesparteitag. Bequemlichkeit mag dahinter stecken, der Wunsch, es nicht gänzlich mit den auf Anti-Fusionskurs eingeschworenen Brandenburger Grünen zu verscherzen. Bei dem einem oder anderen mag wohl Taktik dahinter stecken. Schließlich müssen in jedem Land 25 Prozent der Wahlberechtigten einem gemeinsamen Land zustimmen. Jeder, der am 5. Mai zu Hause bleibt, ist eine Nein-Stimme mehr im Kontor der Fusionsgegner. Es ist ja vieles wahr, was die Fusionsgegner ins Feld führen: die Unwägbarkeiten einer Berliner Dominanz und die offenen Schecks der Haupstadt. Letzten Endes aber bleibt, allen verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber einem überschuldeten Land zum Trotz, die Entscheidung für ein Land eine Entscheidung des politischen Willens. Wer aber Unentschlossenheit zum grünen Programm erhebt, bricht nicht nur mit früheren Wahlaussagen, sondern bringt sich sogar in eine noch schwächere Position als die Brandenburger Grünen, die klar dagegen sind. Das ist ein Position, die man ablehnen kann. In ihrer Konsequenz nötigt sie jedoch mehr Respekt als das Durchwurschteln, was mancher Berliner Grüner aus seiner Schlafmütze zaubert. Severin Weiland
Siehe auch Seite 23
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