piwik no script img

Bülent Ciftlik vor GerichtSchneller Aufstieg, rasanter Fall

Ab Freitag wird im Scheinehe-Verfahren auch über die politische Zukunft des einstigen SPD-Hoffnungsträgers Bülent Ciftlik entschieden. Beschädigt ist sie auf jeden Fall.

Kämpft um seine Zukunft: Bülent Ciftlik, Ex-Hoffnungsträger der Hamburger Sozialdemokratie. Bild: dpa

Bülent Ciftlik schweigt. Kein Wort mehr, das falsch interpretiert, kein Nebensatz, der gegen ihn verwendet werden könnte. Alles werde er widerlegen, das hat er gesagt, schon vor Wochen. Widerlegen, dass er eine Scheinehe zwischen seiner Bekannten Nicole D. und dem Türken Kenan T. geschmiedet hat, eine Ehe, die laut Staatsanwaltschaft nur geschlossen wurde, um T. einen Aufenthaltsstatus in Deutschland zu sichern. Seit über einem Jahr wird gegen Ciftlik deswegen ermittelt, am morgigen Freitag nun beginnt der Prozess gegen ihn und die beiden Eheleute vor dem Amtsgericht St. Georg.

In dem Verfahren kämpft der 37-jährige Deutschtürke um seine politische Karriere, will retten, was nicht mehr zu retten scheint. Noch 2007 galt Ciftlik als Hoffnungsträger der Hamburger SPD. Parteisprecher, Neuabgeordneter der Bürgerschaft, von den Medien hofiert und zum "Obama von Altona" und "Mann zum Niederknien" (Brigitte) verklärt. In einem beispiellosen Wahlkampf hatte er dem SPD-Urgestein Walter Zuckerer das Bürgerschaftsmandat weggeschnappt, eine Karriere auf der Überholspur begonnen. Das ein solcher Aufstieg Neider schafft, sollte Ciftlik bald erfahren.

Zwei Jahre später ist Ciftlik ganz unten angekommen. Äußerlich von schlaflosen Nächten gezeichnet, ist er als SPD-Sprecher ausgeschieden und auch sein Mandat ruht. Zu groß war der parteiinterne Druck.

Zuerst geriet er - auch ohne belastbare Indizien - in den Verdacht, am Stimmzettelklau beteiligt gewesen zu sein, der den früheren SPD-Chef Mathias Petersen um die Bürgermeister-Kandidatur brachte. Dann durchsuchten Ermittler seine Wohnung, weil er die vermeintliche Scheinehe gekuppelt haben soll. Schließlich geriet er unter Verdacht, Polizeivermerke gefälscht zu haben, um zwei Genossen anzuschwärzen. Und zu schlechter Letzt verschwanden noch Wahlzettel einer SPD-Distriktswahl spurlos aus seinem Kofferraum, als erneut seine Wohnung und sein Wagen durchsucht wurden - diesmal wegen der gefälschten Urkunden.

Und jedes Mal standen im Hintergrund SPD-Genossen parat, die die Medien gegen den einstigen Parteiaufsteiger munitionierten. Denn auch wenn keiner der erhobenen Vorwürfe bislang belegt wurde, bestätigte sich die Binsenweisheit: Irgendwas bleibt immer hängen. Selbst Ciftliks politischer Ziehvater, Hamburgs SPD-Chef Olaf Scholz, sah sich genötigt, schrittweise zu seinem einstigen Zögling auf Distanz zu gehen, um Schaden von der Partei abzuwenden. Mit jeder Negativ-Schlagzeile wurde es einsamer um die einstige Lichtgestalt in der Hamburger Politik-Tristesse.

Inzwischen kämpft Ciftlik seinen Kampf gegen die Mühlen der Justiz und die Heckenschützen aus der eigenen Partei ziemlich einsam. Selbst seine ehemaligen Fürsprecher können kaum noch glauben, dass es sich bei allen Ermittlungen, die gegen den Sohn türkischer Einwanderer laufen, nur eine besonders ausgeprägte Pechsträhne handelt. Besonders die Springer-Blätter haben ihr Urteil bereits gefällt - manch in dem Verlagshaus angestellter Journalist spricht hinter vorgehaltener Hand "von einer Kampagne" seines Arbeitgebers gegen den ins Straucheln geratenen Politiker.

Für Ciftlik geht es deshalb ab Freitag nur um Schadensbegrenzung. Selbst wenn er das Scheinehe-Verfahren gewinnen und den Verleumdungsvorwurf um die gefälschten Vermerke entkräften kann, ist er als Politiker für Jahre verbrannt. Das wissen Ciftliks innerparteiliche Feinde, die sich dem Ziel nahe wähnen. Und das weiß auch Ciftlik selbst.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • A
    Alf

    Nach meinem Wissen gehört Ciftlik inzwischen zur Kahrs-Fraktion (HH-Mit) und ist in Altona politisch isoliert. Belegt ist vielleicht noch nichts, aber nur vor Gericht. Ich vermute, dass sich Ciftlik davon nicht aufrappeln wird können.

  • K
    Komisch

    Die Frau die die Scheinehe eingegangen ist soll gestanden haben.

  • X
    xxx

    Es muss die Unschuldsvermutung gelten. Auch für Herrn Ciftlik. Mal abgesehen von dieser Selbstverständlichkeit, die einige Redaktionen und einige Politiker gern vergessen: Ich kann mir nicht vorstellen, das jemand, der so pfiffig ist, wie der, so viel Mist baut. Da müsster der schon ein wahrnehmungsproblem haben, dass ans pathologische grenzt. Gibt es, aber das hier klingt nach GZSZ. Schlechte Zeiten für Cliftlik.

  • AB
    anna blume

    Wenn der Junge nicht türkisch wäre, würde es doch die Taz gar nicht interessieren...

  • WA
    wolfgang ahrens

    Das Imperium schlägt zurück oder wie ich lernte, was mit dem sog. Establishment gemeint ist...