■ Bücher.klein: Bingo
Zu Beginn der Publikationshausse zum Thema Auschwitz präsentiert der Rowohlt-Verlag mit Gunnar Heinsohns „Warum Auschwitz? Hitlers Plan und die Ratlosigkeit der Nachwelt“ einen Autor, der freundlicherweise gleich ankündigt, unter Niveau sinken zu wollen. Nicht nur „zweiundvierzig verschiedene Theorien“ (woooww! Zum Sonderpreis von 14.90!) zu Auschwitz auf jeweils ein bis zwei Seiten will er vorstellen, sondern auch einen Kurzabriß der „wichtigsten Etappen und Daten“, um dann als Nummer 43 ins Rennen zu gehen, weil er die „Erklärungslücke“ nicht nur dokumentieren, sondern auch schließen will! Auf ganzen 182 Seiten!
Unter den 42 Erklärungen beeindruckt Heinsohn mit einigen sehr aparten Varianten: Die 27. Theorie: „Auschwitz als Bestrafung der Juden für die Überwindung weiblicher Gottarten“ und nicht weniger als acht „Theorien“ aus dem Hause Nolte, („Auschwitz als Rache für die Vertreibung der Wolgadeutschen“ oder “Auschwitz gegen die ewige Linke“). Unnötig zu erwähnen, daß in diesen Appetithäppchen Adorno/Horkheimer plötzlich als Anhänger der These „Auschwitz als gigantisches Menschenopfer“ erscheinen. Hannah Arendt steht plötzlich da als Vertreterin der These, die Einmaligkeit des Holocaust leite sich aus der „willigen Kooperation“ der Judenräte her. Kein Wunder, daß das Büfett der 42 mit der „Leugnung von Auschwitz“ beginnt.
Entsprechend gespannt ist man natürlich, wie Knecht Ruprecht Heinsohn den Sack nun zuziehen und was er mit so triumphaler Geste daraus hervorziehen wird. Es ist schnell zusammengefaßt: Heinsohn hat zunächst – Tusch und Hurrah! – den so sehnsüchtig herbeigeschriebenen „zentralen Führerbefehl“ ausfindig gemacht. Als entlaste dieser die Gesellschaft noch nicht genug, erklärt Heinsohn zudem, Hitler habe mit den Juden „die jüdische Ethik“, die Thoragesetze des Lebensschutzes ausrotten wollen, um solchgermaßen das Recht auf Völkermord zu erhalten, ein Recht übrigens, das „Hitler und Himmler an asiatischen Kriegsherren wie Dschingis- Khan und Tamerlan sowie an den Jungtürken des Armeniergenozids“ so bewundert hatten. Ja, der Asier. Der Schlimme. Hat er sich wieder was abgeguckt, der Hitler. Auch Stalin fand er gut, wie der so mit seiner jüdischen Intelligenz fertig wurde. Und die Amerikaner, mit ihren Ureinwohnern, waren die vielleicht zartfühlend?
Ein Entlastungsmärchen, wie sich Gevatter Nolte kein besseres hätte ausdenken können. Daß Heinsohn am Bremer Institut für Xenophobie- und Genozidforschung tätig ist, mag einiges erklären; bestürzend bleibt es allemal. Mariam Niroumand
Gunnar Heinsohn: Warum Auschwitz? Hitlers Plan und die Ratlosigkeit der Nachwelt. Hamburg, Rowohlt, 1995, 221 S. 14.90 DM
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