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Buchvorstellung: Rolf Bergmeier Schatten über EuropaSchatten über dem Christentum

Kommentar von Klaus Wolschner

Kurzkritik von KLAUS WOLSCHNER

N ein, es war niemand da als Vertreter der Bremer Kirchen, als der Buchautor Rolf Bergmeier im Haus der Wissenschaft erläuterte, welche große Rolle das Christentum spielte beim Untergang der antiken Kultur („Schatten über Europa“). Ohne die Wissenschaftsfeindlichkeit, ohne die Manie, in jedem andersdenkenden Gelehrten einen „Häretiker“ zu vermuten, wäre sicherlich mehr von dem antiken Erbe gerettet worden, so Bergmeier.

Im spätantiken Rom gab es große öffentliche Bibliotheken mit jeweils mehr als 400.000 Bänden – kaum 200 Jahre nach der Machtübernahme des Christentums gab es davon nichts mehr. Nicht zufällig war es ein christlicher Mob, der die Mathematikerin Hypatia (um 415) in Alexandria zu Tode hetzte. Mehr als 1.000 Jahre lang brannten im christlichen Europa die Bücher und die Leiber, während im arabisch-islamischen Bereich des Mittelmeeres, von Bagdad bis Cordoba, die Reste der Antike gepflegt und hinübergerettet wurden in die europäische Neuzeit.

Geradezu peinlich ist es, dass ein Außenseiter des Faches wie Bergmeier kommen muss, um den deutschen Althistorikern, die sich wenig um die Rolle des Staats-Christentums in diesem Kontext gekümmert haben, ein Licht aufgehen zu lassen. Geradezu peinlich, dass die Kirchen heute noch das Glaubensbekenntnis vom "dreieinigen Gott" sprechen lassen, das der sonnenanbetende Kaiser Konstantin den Bischöfen in Nicäa aufzwang, während er den Konzilteilnehmer Arius verbannte, weil die Dreier-Gottlehre seinen Machtinteressen besser zu dienen schien. Die war auch für den die poly-theistische Glaubenskultur der Spätantike naheliegender als die streng jüdisch-monotheistische Tradition der Jesus-Anhänger.

Geradezu peinlich, dass sich die Kirchen auch heute, nachdem ihnen die Aufklärung aufgezwungen wurde, nicht der Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte stellen. Kein Geschichtslehrer, kein Lehrer für „Biblische Geschichte“, was in Bremen nicht Katechismus-Verkündung sein soll, kommt ohne das Buch von Bergmeier aus!

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Bremen-Redakteur

9 Kommentare

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  • R
    Römer

    Vor wenigen Tagen habe ich in einem veröffentlichten Leserbeitrag dargelegt, dass die Fakten (die Bestandszahlen der Bibliotheken) frei erfunden sind. Jetzt sehe ich, dass alle bereits veröffentlichten Leserbeiträge gelöscht worden sind. Was ist der Grund für die Löschung?

  • R
    Römer

    Die Bestandszahlen der Bibliotheken sind frei erfunden.

     

    Zitat aus dem Artikel:

     

    "Im spätantiken Rom gab es große öffentliche Bibliotheken mit jeweils mehr als 400.000 Bänden – kaum 200 Jahre nach der Machtübernahme des Christentums gab es davon nichts mehr."

     

    Das ist nicht belegt.

     

    Zitat aus einem wissenschaftlichen Standardlexikon zur Antike (K. Preisendanz, Bibliothek, Der Kleine Pauly, Bd. 1, 1979, 895):

     

    "Wenn die Überlieferung für nicht wenige der 28 öffentlichen B[ibliotheken] Roms, die sich nach der Regionenbeschreibung zu Konstantins Zeit in der Stadt befanden, den Nachweis schuldig bleibt, irrt man doch kaum in der Annahme, daß es sich bei ihnen nicht um bedeutende Sammlungen handelte"

     

    Hieraus folgt:

     

    1) Über die Bestandszahlen der öffentlichen Bibliotheken im spätantiken Rom ist nichts bekannt

     

    2) Der Nachweis ihrer Existenz stammt bereits aus christlicher Zeit (Preisendanz dachte an Konstantin, die neuere Forschung geht davon aus, dass die Notitia Dignitatum aus noch späterer Zeit stammt, als das römische Reich bereits sehr weitgehend christianisiert war).

  • ST
    Stephan-Alexander THOMAS

    Mein Kommentar ist leider (aus welchen Gründen auch immer) im 3. Absatz unvollständig übernommen worden.

     

    Bitte fügen Sie dort das fehlende Bergmeier-Zitat wieder ein. Ohne dasselbe ist meine Argumentation im betr. Kontext nämlich völlig unverständlich:

     

     

    Mit einer "streng jüdisch-monotheistische Tradition der Jesus-Anhänger." hatte das überhaupt nichts zu tun. Diese Tradition war nämlich schon im 2. Jahrhundert so gut wie ausgestorben.

     

    Vielen Dank!

  • ST
    Stephan-Alexander THOMAS

    Der Kommentator ist selbst promovierter Althistoriker und wundert sich darüber, dass hier einem immerhin magistrierten Kollegen pauschal die wissenschaftliche Qualifikation abgesprochen wird (s. Kommentar oben.) Das ist schlicht arrogant und passt wohl eher in die FAZ.

     

    Bergmeiers Haupthese hält wissenschaftlicher Überprüfung stand. Wer sich aus habilitierter Hand über die Bildungsfeindlichkeit der meisten Kirchenväter informieren will, der sei auf Carl Schneiders Standardwerk zur "Geistesgeschichte des antiken Christentums" verwiesen.

     

    Was die Dogmengeschichte und den arianischen Streit betrifft, scheint es Bergmeier allerdings tatsächlich an Durchblick zu ermangeln. Arius war Origenist und vor allem Neuplatoniker. Im absteigend-kosmischen Emanationssystem Plotins besaß die zweite Hypostase schlicht nicht die göttliche Fülle der ersten. Mit einer hatte das überhaupt nichts zu tun. Diese Tradition war nämlich schon im 2. Jahrhundert so gut wie ausgestorben.

     

    Des weiteren stört bei Bergmeier eine allzu undiffferenzierte Überbewertung des islamischen Kulturtransfers. Die technisch-zivilisatorische Überlegenheit des islamischen Mittelalters ist zwar ebenso unbestreitbar wie die Bildungsfeindlichkeit der lateinischen Kirche bis zur Karolingischen Renaissance, mit der literarischen Kultur war es jedoch auch im islamischen Bereich nicht allzu weit her. Lediglich Aristoteles wurde von arabischen Autoren ausgiebig exzerpiert und kommentiert, da speziell dessen Gottesvorstellung vorübergehend als islamkompatibel angesehen wurde. Die altgriechische Poesie kehrte dagegen fast ausnahmslos über Byzanz ins Abendland zurück.

  • KW
    Klaus Wolschner

    Für alle, die gern über ein Buch debattieren, das sie nicht gelesen haben, gebe ich hier ein paar Zitat-Kostproben aus Rolf Bergmeiers Buch:

     

    „Paulus, Tertullian, Laktanz, Origines, Eusebius, Clemens, Hieronymus, Cyprian, sie alle lehren die gleiche Botschaft: Bildung sei unnütz, halte lediglich von der religiösen Einkehr ab und dürfe, wenn überhaupt, nur zur Interpretation der wahren christlichen Botschaft genutzt werden. In vielen Texten damaliger Kirchenführer erkennen wir einen zerstörerischen Fundamentalismus, der sich in der Antipathie gegen die antike Geisteswelt äußert, die als feindlich und verderblich eingestuft wird. ‚Bildung’, bemerkt der Mainzer Archäologe German Hafner, ‚hat in ihr [der Kirche] keinen Platz, an ihre Stelle [der Bildung] ist der Glaube getreten’, der Versuch, den Menschen die Freiheit zu geben, selbst über sich zu entscheiden und Probleme durch logisches Denken zu lösen, habe sich nicht durchsetzen können.“

     

    „Im Mittelpunkt christlich-kirchlichen Argwohns stehen die öffentlichen Schulen, denen von Anfang an unterstellt wird, Hort heidnischen Glaubens zu sein. Tertullian (um 150-230) meint, weder ein Elementarlehrer noch ein Lehrer an höheren Schulen könne Christ sein, denn ‚der Grund zum Glauben an den Teufel werde mit den Anfängen des Unterrichts’ gelegt.“

     

    „Athanasius, Bischof von Alexandria, verkündet im vierten Jahrhundert, der heilige Antonius sei ein Bauernjunge gewesen, der keine Ahnung vom Griechischen gehabt und allein Gottes Schule durchlaufen habe. ‚Antonius wurde berühmt nicht durch seine Schriften noch durch weltliche Weisheit oder durch irgendeine Kunst, sondern allein durch seine Frömmigkeit’ und folgert daraus: ‚Wessen Verstand gesund ist, der braucht keine Wissenschaft.’“

     

    Bergmanns Fazit: „Nach rund einhundert Jahren Christentum zieht das Gespenst des volksweiten Analphabetismus in Mitteleuropa ein.“

     

    „Schätzungen rechnen, dass lediglich ein bis zwei Bücher des dritten und vierten Jahrhunderts von tausend Werken, also 0,1 Prozent, das sechste und siebte Jahrhundert erreichen.“

     

    Wollen Sie mehr? Dann lesen Sie Bergmeier!

     

    http://www.medien-gesellschaft.de/html/bergmeier.html

  • HB
    Horst Becker

    Mit solchen hetzerischen, unsachlichen und anonymen Kommentaren richtet sich der Kommentator selbst. Jedes Wort dazu wäre zu viel. Warum allerdings ausgerechnet ein TAZ-Leser Schaum vor dem Mund bekommt, wenn der Kirche nicht nur die Vernichtung von Hunderttausenden von Menschen vorgeworfen wird, sondern auch die Zerstörung der heidnischen Kultur, bleibt ein Geheimnis. Empfehle den Mai-Kommentar von „The European“ : http://www.theeuropean.de/alexander-wallasch/11036-rolf-bergmeiers-schatten-ueber-europa.

  • H
    hwth

    Peinlich ist allenfalls, wie ein Journalist auf ein unwissenschaftliches Werk eines Rolf Bergmeier hereinfällt, der Thesen aufwärmt und als neu ausgibt, die längst ausdiskutiert sind (der geniale Edward Gibbon - 18. Jahrhundert!!). Vielleicht sollte sich ein Journalist, der ein Buch dermaßen euphorisch anpreist, erst einmal informieren, bevor er eine Revolution der Althistorie postuliert, die gar keine ist. Bergmeier hat weder die Qualifikation noch das Handwerkszeug eines Historiker, um ernst genommen zu werden. Und die Selbstimmunisierung gegen Kritik durch das Postulat einer kirchlichen Verschwörung aufseiten der Althistoriker - nur peinlich. Dieses vernichtende Urteil gegen Bergmeier hat im übrigen nichts mit weltanschaulicher Gebundenheit zu tun, im Gegenteil. Wenn jemand weltanschaulich gebunden ist, ist es nämlich Rolf Bergmeier, der mit seinen "Erkenntnissen" von atheistischem Verein zu atheistischem Verein tingelt. Peinlich, dass die taz sich das zumutet.

  • D
    D.J.

    Ich kenne das Buch leider nicht, von daher kann ich also nicht beurteilen, ob tatsächlich manches so drinsteht, oder ob der Kommentator es missverstanden hat. Als Beispiel nur dieser Satz:

     

    "streng jüdisch-monotheistische Tradition der Jesus-Anhänger."

     

    Der Dreifaltigkeitsglaube ist keine Erfindung des 4. Jahrhunderts, er ist weit älter. Auch Arianus glaubte an die Göttlichkeit Jesu, ordnet ihn aber als "nicht wesensgleich" Gottvater unter.

    Die These von der "Schuld" des Christentums am Untergang der antiken Zivilisation ist übrigens nichts Neues; sie wurde bereits im 18. Jh. vertreten (Edward Gibbon).

    Wieso aber haben sich viele Erungenschaften der röm. Zivilisation im christlichen Byzanz erhalten; zumindest in Konstantinopel?

    Wieso rezipierte der Westen ab dem 12. Jh. begierig die antiken philosophischen Schriften, während man im islamischen Gebiet begann, philosophische Schriften zu verbrennen (Beispiel Averroes)?

    Übrigens waren für den Verlust vieler antiker Schriften seltenst Zerstörungsmaßnahmen verantwortlich, sondern einfach die Tatsache, dass vieles nicht auf Pergament übertragen wurde (Papyrus zerfällt sehr schnell). By the way: Das Frühmittelalter kennt keine Ketzerverbrennungen (Hexenverbrennungen schon gar nicht).

    Mir liegt es überaus fern, die These insgesamt zu verdammen, manches scheint mir aber arg holzschnittartig.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Es ist nicht alles Christentum-was sich Christen- tum nennt

    Wet meint,dass im Christentum alles in Ordnung war und sei,der irrt sichn gewaltig-Ketzerverbrennung,Abschwören auf dem Totenbett,Mitwirkung bei der Euthasenie,psychische und physische Gewalt,Mobbing dies alles ist in der Kirche,in den Kirchen vor zu finden.Mit der Taufe wird zugleich auch die Stigmatisierung,die Ausgrenzung,ein Oben und ein Unten Denken und handeln mit in Kauf genommen.

    Wo viel Licht ist,ist bekanntlich auch viel Schatten.Dies trifft auf eie Glaubensgemeinschaft wie den Christen zu,die sich auf einen berufen,der Barmherzigkeit,Nächstenliebe verkörperet:JESUS CHRISRUS.Nur von dem auf dem das Christentum sich gründet ist wenig im Alltag erleb.erfahrbar.