■ Buchtip: Ein Dorf in Afrika
Ein kleines Dorf irgendwo im südlichen Afrika. Ein Ort ohne Namen, auf keiner Landkarte verzeichnet. Denn es „liegt an einem Ende der Welt, verschont von legitimierten und von nichtlegitimierten Räubern, ein stilles Paradies inmitten des Chaos“. So jedenfalls sehen es die Bewohner. Doch die glücklichen Tage sind gezählt. Die alte Seherin Minnarr hatte es schon lange prophezeit: Ein Fremder kommt mit seiner Tochter ins Dorf. Prompt gehen alle Ziegen durch und verwüsten Felder und Gärten. Die bösen Ahnungen bestätigen sich.
Der Fremde, Hauptmann Sylvester Nunes, bringt das Gesetz – oder besser, das, was er dafür hält. Er führt eine Zweiklassengesellschaft ein, verbietet Feste und versetzt die Menschen in Angst und Schrecken. Denn der cholerische Nunes ist besessen von dem Gedanken, das Geheimnis des Dorfes zu ergründen.
Der Brite Mike Nicol, der lange als Journalist in Johannesburg lebte, liefert mit seinem Romandebüt „Die Feuer der Macht“ („The Powers That Be“) einen Mikrokosmos, in dem all das lebendig ist. Hier haben die Dorfbewohner noch Biographien, obwohl das Leben dieser „einfachen Leute“ „nie den Weg in die Geschichtsbücher gefunden hat“. Denn „welcher Historiker kümmert sich schon um aeinfache Leute, wenn er über Generäle und Staatsmänner schreibt“? Wir lesen Abenteuer von Schiffbruch, Kolonialismus, Desertion und von der Gründung des Dorfes, in dem die verschiedensten ethnischen Gruppen friedlich neben- und miteinanderleben. Erst als Hauptmann Nunes seine „Ordnung“ durchsetzt, zerstört er die Gemeinschaft.
Aber Nicols Allegorie ist auch ein spannender Krimi. Denn was ist nun eigentlich das Geheimnis der Dorfbewohner, „die alle einen dunklen Fleck in ihrem Leben“ haben? Wie schaffen sie es, daß die Regale in dem kleinen Kramladen sich unter den Köstlichkeiten, in Form von Konserven und Süßwaren, biegen, obwohl die Kunden doch alle arme Fischer sind? Um dem Reichtum auf die Spur zu kommen, führt Nunes grausame Verhöre durch, er foltert und quält, verhängt Ausgangssperren und setzt seine Tochter als Spionin ein. Unter diesem Druck beschließt die Dorfgemeinschaft, Hauptmann Nunes in das Geheimnis einzuweihen. Die alte Lady Sarah soll den Tyrannen aufklären. Sie beginnt behutsam, holt weit aus und treibt den Hauptmann wieder an den Rand der Raserei. Und dann geschieht in dem einst friedlichen Dorf ein Mord ... Nunes weiß es noch nicht, aber dieses Verbrechen ist der Anfang vom Ende seiner dreijährigen Schreckensherrschaft.
Mike Nicols Buch ist voller Bilder, Düfte, Farben; mal lustig, dann wieder tieftraurig, aber nie langweilig. Ein großer Erzähler.weg
Mike Nicol: „Die Feuer der Macht“. Rowohlt-Taschenbuch, 281 S.; 9,80 Mark
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen