Buchrezession: Klappe zu - Landwirt tot
■ Ein Buch über die naturzerstörerische Tiefkühlkost–Gesellschaft / Supermarkt–Bioware keine Alternative Buchrezession
„Tiefgekühlt und doch nicht haltbar“ ist ein Diskussionsbeitrag des Ökoinstitutes Freiburg zur Industrialisierung der Nahrungsmittelwirtschaft. Und als solcher ist er auch zu benutzen. Es werden Informationen geliefert mit Tabellen und Schaubildern, die eine Veränderung auf dem Lebensmittelmarkt belegen. Haben die Konzerne wie nimmersatte Haie erst die Tante–Emma–Läden gefressen, machen sie sich jetzt daran - das belegt das Buch - die traditionelle Landwirtschaft zu verschlingen. Die Doppelbelastung der Frauen ist ihr Kalkül. Sie bieten mundgerecht vorbereitetes an. Konserviert, farbstoffgeschönt, pestizidbelastet, aufwendig verpackt und auf Mikrowelle gestyled. Ofen auf, Klappe zu, Landwirt tot, Natur kaputt. Der Bauer ist - folgen wir der Argumentation des Buches - kein freier Bauer mehr, sondern Rohstofflieferant und auf seinem eigenen Hof nur noch Angestellter. Er produziert, was die Industrie benötigt, auf Großmaschinengerechten Feldern, großzügig gedüngt, großzügig gespritzt, für verarbeitungsgerechte Früchte. Als das non plus ultra dieses Wirtschaftszweiges gilt die Tiefkühlkost. Fördert sie doch neben der geschilderten landwirtschaftlichen Misere den Energieverbrauch. Jedem AKW/WAA–Gegner sollte bei Lektüre des Buches das tiefgefrorene Schlemmerfilet im Halse stecken bleiben. Logisch, daß der Ausweg aus diesem Dilemma biologische Landwirtschaft heißen muß. Nicht logisch, daß es für viele ZeitgenossInnen selbstverständlicher ist, einem Multi wie der Dresdener Bank die Scheiben einzuschlagen, als Kaufhof oder Hertie zu boykottieren. Mit jeder Mark für sie treiben wir einen Landwirt mehr in die Arme der Nahrungsmittelkonzerne. Der Einkauf im Bioladen kann also mehr sein als eine Frage der persönlichen Gesundheit. Durch Verzicht auf Chemie und Großmaschineneinsatz entsteht Mehrarbeit, die durch höhere Preise honoriert werden muß. Biowaren aus dem Supermarkt sind jedenfalls keine Alternative, eher Kuckuckseier, die in keinster Weise den Kriterien der Bioproduzenten verpflichtet sind. Für die AutorInnen des Buches ist die biologische Landwirtschaft der Motor der Veränderung, dessen Entwicklungspotential durch staatliche Rahmenregelungen gestützt werden muß. Eine viel zu brave Haltung. Es sind schließlich die Konsumenten, die entscheiden, wer mit ihrem Geld wirtschaften darf, und die dazu Entscheidungshilfen brauchen. Dazu ist dieses Buch ein Anfang, der dringend auf Fortsetzung wartet. Vor dem täglichen Einkauf will ich endlich wissen: Welches Kaufhaus/Lebensmittelkette gehört zu welchem Konzern, wer ist in Südafrika engagiert, wer unterstützt Waffengeschäfte, wer verbrennt seinen Müll auf See und wie ist es mit der Frauenquotierung, und, und. Und? Gabi Trinkaus G. Häußler/P. Heller/C. Rosenberger: Tiefgekühlt und doch nicht haltbar! Das Lebensmitteldiktat der Konzerne. Dreisam Verlag Freiburg. 1987. 108 S., 14.80 DM.
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