Buchenhofwald: Eilkahlschlag gegen Volkswillen
Kaum hat der Senat den Bürgerentscheid kassiert und das Fällen genehmigt, nehmen die Kettensägen ihre Arbeit auf.
Manchmal kann es richtig fix gehen: Kurz vor dreizehn Uhr verkündete am Dienstag Senatssprecher Markus Kamrad offiziell, dass sich die Senatorenrunde den Bedenken des Bezirks gegen die Rechtmäßigkeit des erfolgreichen Bürgerentscheids "Rettet den Buchenhofwald" angeschlossen habe - und diesen deshalb aufgehoben.
Gleichzeitig wies der Senat den Bezirk Altona an, dem "Bauverein der Elbgemeinden", der hier 66 Genossenschaftswohnungen errichten will, eine Fällgenehmigung für das kleine Waldstück an der Osdorfer Landstraße zu erteilen. Und nicht einmal eine Stunde nach der offiziellen Verkündung musste die örtliche Bürgerinitiative bereits Teilvollzug melden: Die Kettensägen hätten ihre Arbeit aufgenommen, die erste Buche sei bereits gefallen.
Da half es auch nichts, dass der Verwaltungsrechtler Einar von Harten unmittelbar nach Bekanntwerden der Fällgenehmigung Widerspruch gegen diese eingelegt hatte. Am Nachmittag schob der Rechtsanwalt einen Eilantrag an das Verwaltungsgericht nach, um den Sofortvollzug noch auszuhebeln. "Das ist die letzte Chance", so von Harten, "den Kahlschlag in letzter Minute noch zu verhindern."
Bei der Bürgerinitiative löste die überfallartige Fällaktion wütende Reaktionen aus. "Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Bürger, die mit demokratischen Mitteln versucht haben das wertvolle Waldstück zu retten", empörte sich Initiativensprecher Axel Godenrath. Es würden "Tatsachen geschaffen, die den Bürgern jede Möglichkeit nehmen, die Entscheidung vor Gericht überprüfen zu lassen". Der Senat müsse sich "nicht wundern, wenn immer mehr Menschen das Vertrauen in Politik und Rechtsstaat verlieren", so Ernst-Günther Garve von der Initiative.
5. 11. 2007: Erteilung des Bauvorbescheids, der die Verpflichtung zum Erlass einer Baugenehmigung bedeutet.
2. 3. 2009: Die Baugenehmigung gilt als erteilt, nachdem der Bezirk den im Dezember 2008 eingereichten Baugenehmigungsantrag nicht moniert.
5. 11. 2009: Erfolgreiche Durchführung des Bürgerentscheids "Rettet den Buchenhof-Wald": 44.000 Altonaer stimmen zu.
11. 11. 2009: Beanstandung des Entscheids durch Altonas Bezirksamtschef.
9. 2. 2010: Der Senat weist den Bezirk an, das Fällen von 160 Bäumen zu genehmigen.
Der Senat begründete seine Entscheidung gestern damit, dass bereits 2007 ein bindender Bauvorbescheid vom Bezirksamt erteilt worden war. Diesem folgte dann im vergangenen Jahr eine Baugenehmigung. Deshalb sei der Bürgerentscheid, dem rund 44.000 Altonaer eine Zustimmungsquote von über 80 Prozent bescherten, "mit den Regeln der Bauordnung nicht vereinbar". Um Schadensersatzansprüche des Investors in Höhe von mindestens 3 Millionen Euro abzuwenden und ihm keinen weiteren "erheblichen Zeitverlust" zuzumuten, sei die Senatsentscheidung notwendig gewesen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz erklärte dagegen, dass die begonnene Abholzung "das aktuelle Landschaftsprogramm und das Landeswaldgesetz" eklatant missachte - beide seien "von der Bürgerschaft beschlossen und haben deshalb Gesetzescharakter". Weil zudem auch noch mehrere Klagen gegen die Baugenehmigung anhängig seien, würde hier "nicht nur der Bürgerentscheid auf unverschämte Weise ausgehebelt".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört