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Brüssel wackelt an Klöckner

■ Radio Bremen: EU will Interessentenlösung wegen Staatsknete kippen / Senat optimistisch

Brüssel wackelt an der Bremer Hütte: Gestern meldete Radio Bremen, in der EU-Kommission sei jetzt schon klar, daß das Interessenmtenmodell keine Chance habe, wenn der Belgische Stahlkonzern Sidmar nicht einsteigt. Der Sender berief sich dabei auf einen „hochrangigen Beamten“, der allerdings ungenannt bleiben wolle. Der Vorwurf: VEB Klöckner. Die Brüsseler Marktwächter unterstellen dem Rettungskonzept allzu große Staatsnähe, und die ist auf dem hartumkämpften EU-Stahlmarkt nicht erlaubt. So dramatisch sie auch klingt, in Bremen löste die Nachricht keine tiefere Besorgnis aus. „Wir haben schon Schlimmeres erlebt“, kommentierte Klöckner-Betriebsrat Eike Hemmer. Und Wirtschaftssenator Claus Jäger ist guter Dinge, das Bremer Modell trotzdem durchzubringen: Brüssel gehe von falschen Annahmen aus.

Die Kommission rechnet vor, das Land trage über die Stadtwerke und die landeseigene Hanseatische Industrie Beteiligungen GmbH mindestens 68 Prozent des Klöckner-Risikos, weit über der erlaubten Marge von 50 Prozent. Dazu unterstellt die Kommission, daß auch die Beteiligung des Vulkan staatsgestützt sei. Seit Jahren wird spekuliert, wem 40 Prozent der Vulkan-Anteile gehören, die auf keiner Versammlung auftauchen, die Kommission geht davon aus, daß dieser Aktionär Bremen heißt. Damit steigt das öffentliche Risiko an Klöckner auf 88 Prozent, wenn Sidmar nicht kommt.

„Völlig daneben, barer Unsinn“, kommentierte Wirtschaftssenator Claus Jäger die Spekulation auf den Bremer Anteil am Vulkan. Außerdem: Brüssel rechnet nur mit den runden 250 Millionen Mark (ohne Sidmar), die frisch in das Bremer Werk fließen. Was Brüssel nicht mitrechnet, das ist die Beteiligung der Klöckner-Werke Duisburg. Die sollen noch ein Drittel aller Anteile halten. „Das ist auch Risikokapital“, sagt der Senat – ist es nicht, sagt Brüssel. Wenn man Klöckner Werke dazurechnet, liegt das öffentliche Risiko nur noch bei 45 Prozent. „Klöckner haftet wie andere auch“, sagte Senatssprecher Klaus Sondergeld. „Alle beteiligten Anwälte sagen, die Interessentenlösung ist EU- rechtlich unproblematisch.“

In Bremen trägt man Gelassenheit. In Brüssel selbst wird die Lage dramatischer eingeschätzt. Dort wird Klöckner keine großen Chancen eingeräumt, unbeschadet durch das Kommissionsverfahren zu kommen. Es ist klar, daß es in diesem Jahr zu einer Neuordnung des Stahlmarktes kommen wird, und damit auch zu Kapazitätsstillegungen. Das letzte Wort dazu hat der Ministerrat, und dort hat die Bremer Hütte eine starke Gegnerschaft. Der entscheidet auch, wenn die Kommission die Bremer Lösung nicht rundweg ablehnt, sondern Auflagen vorschlägt. Beobachter befürchten, daß die Bremer Hütte nach einer negativen Kommissonsentscheidung zum „Selbstläufer“ wird, wenn es ans Streichen von europäischen Stahlkapazitäten geht. Ein juristisches Verfahren, gegen das die Bremer angehen könnten ist eine Sache, das letzte Wort hat aber die Politik.

Vieles hängt also davon ab, ob und wann der belgische Sidmar- Konzern bei der Bremer Hütte einsteigt. Doch das kann noch dauern. Die Verhandlungen seien auf einem guten Weg, wird allerorten beteuert. Doch Wirtschaftssenator baute schonmal vor: „Wir werden die Interessentenlösung als Zwischenlösung wohl machen.

Jochen Grabler

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