Brockdorf-Veteranen: Gegen den Strom und Horrorszenarien
■ Buchautor Holger Strohm über stille und echte Atom-Katastrophen
Eigentlich wollte Holger Strohm sein Buch „die stille Katastrophe“ vorstellen. Zum unangenehmen Anlass wurde über Nacht der Atomkonsens der Bundesregierung – eine gar nicht so stille Katastrophe, meinte Strohm. Und erklärte die atomaren Horrorszenarien, die er schon zwischen zig Buchtitel gepresst hat.
Aber Strohms Zeiten sind vorbei: „Vor Jahren wären Hunderte gekommen“, weiß er. Donnerstag lockte der Anti-Atom-Autor gerade noch 20 Sympathisanten ins Bürgerhaus Weserterrassen. Ein Treffen von Brockdorf-Veteranen. „Wieviel waren es noch gleich: 300.000, 500.000?“, sinniert Strohm. Viele jedenfalls. Jahre später haben die Grünen in der Regierung „den Umweltgruppen den Teppich unter den Füßen weggezogen“, klagt Strohm.
Für Brokdorf-Spätgeborene klingt der Vielschreiber aus Mölln ein bisschen wie Käpt'n Blaubär – Stimme und Geschichten passen jedenfalls: Mit jedem Dia projeziert Strohm eine neue Lügengeschichte der Atom-Industrie an die Wand, ein „AKW-Horrorskop“.
Als erstes die Karte der Republik: „Atomstaat Deutschland“ steht daneben. Alle paar Zentimenter ein potentieller Todesreaktor – (irgendwie mit 75, 10 und noch mal 1,5 multipliziert, kommt Strohm auf das Tausendfache der Tschernobylstrahlen). „Schleswig-Holstein und Niedersachsen wären unbewohnbar. Wir sitzen in der Mausefalle.“
Dann kommt Strohms Lügenbarometer: So ziemlich alles, was Behörden verfasst und mittels Presse weitergeleitet haben, sei „systematisch gefälscht – die lügen was das Zeug hält“. Mit seinen Büchern stehe er ganz allein da, meint Strohm. Und zankt mit den Verlegern, die mehr als die Hälfte seiner Atomgeschichten ablehnen, „zensieren“, die „alle Angst haben“. Strohm wirft jetzt Horrorfotos an die Wand: Entstellte Kinder.
Lob für die USA (die unsere Castoren wegen Sicherheitsmängeln kritisieren) und Tadel, weil die ihren Atommüll noch gemeingefährlicher entsorgen. Allgemeiner Mystik ist auch der Fakten-Fan Strohm inzwischen nicht mehr abgeneigt – schon die Bibel habe Tschernobyl vorausgesagt: „Es brennt eine glühende Fackel, ähh, mit Namen ... Wehmut.“ Ja? „Und Tschernobyl heißt Wehmut.“ Aha. Dann schwirrrt noch der Antichrist im Raum. Und Strohm ist zu Ende. Knapp eine Stunde hat die Atomroutine gedauert. pipe
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