Britischer Haushaltsplan 2010: Scharfer Sparkurs auf der Insel
In Großbritannien wird der Schuldenabbau zu 80 Prozent durch Etatkürzung und zu 20 Prozent durch Steuererhöhungen finanziert. Ärmere profitieren von höherem Steuerfreibetrag.
DUBLIN taz | "Hart, aber fair", so bezeichnete der britische Schatzkanzler George Osborne seinen Haushaltsplan, den er gestern Nachmittag im Londoner Unterhaus vorstellte. Die Regierung will mit einem drastischen Sparprogramm und Steuererhöhungen binnen fünf Jahren den Haushalt ausgleichen. Zur Zeit liegt das Defizit bei 156 Milliarden Pfund. Das sind rund zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts. Eigentlich sind in der EU nur drei Prozent erlaubt. Er hoffe, dass das Defizit bis zum Haushaltsjahr 2015-2016 auf 1,1 Prozent sinken werde, sagte Osborne. Der Schuldenabbau soll zu 80 Prozent durch Ausgabekürzungen und zu 20 Prozent durch Steuererhöhungen bewerkstelligt werden.
Osborne hatte die Nation seit dem Antritt der Koalitionsregierung von Tories und Liberalen Demokraten im Mai für seinen Sparhaushalt weichgeklopft. Er gab fast täglich neue Warnungen über die Gefahren der Verschuldung heraus. Großbritannien sei das neue Griechenland, so lautete der Tenor. Man müsse umgehend handeln. Die Strategie zeigte Wirkung: Laut einer Umfrage des Guardian befürworten 59 Prozent die Kürzungen.
Sie betreffen vor allem den öffentlichen Dienst. Der habe die Nation an den Rand des Ruins gebracht, sagte Osborne. Die Beamtengehälter werden deshalb für diejenigen, die mehr als 21.000 Pfund im Jahr verdienen, für zwei Jahre eingefroren. Außerdem verhängte Osborne einen Einstellungsstopp bis April nächsten Jahres.
Die Queen bekommt ebenfalls keine Erhöhung ihrer Apanage. Der Schatzkanzler wolle zeigen, dass jeder zu der Reduzierung des Defizits seinen Beitrag leisten müsse, sagte Osbornes Pressesprecher. "Aber die Reichsten zahlen mehr", fügte er hinzu, "sowohl in absoluten Zahlen, als auch in Prozenten ihres Einkommens." So wird die Kapitalertragssteuer für Großverdiener von 18 auf 28 Prozent erhöht, was vom rechten Tory-Flügel heftig kritisiert wurde. Darüber hinaus wird ab Januar eine Bankensteuer fällig, die dem Staat mindestens zwei Milliarden Pfund im Jahr einbringen soll. Ausnahmsweise nicht erhöht wird die Steuer auf Alkohol und Tabak. Und bei neuen Schulen und Krankenhäusern soll nicht gekürzt werden, weil man die Bauindustrie stärken will.
"Unser Land hat über seine Verhältnisse gelebt, als die Rezession begann", sagte Osborne. "Wir wollen die Geringverdiener jedoch schonen." Die Steuerfreiheitsgrenze wird um 1.000 Pfund auf 7.475 Pfund angehoben, wodurch 850.000 Menschen aus dem Steuersystem ausscheiden, weitere 20 Millionen Arbeitnehmer der untersten Steuerklasse zahlen 200 Pfund weniger im Jahr. Das kostet den Staat zwar 3,7 Milliarden Pfund im Jahr, aber die werden durch eine Mehrwertsteuererhöhung ab Januar um 2,5 auf 20 Prozent um ein Vielfaches wieder hereingeholt. Dann zahlt jeder Haushalt im Durchschnitt 425 Pfund mehr pro Jahr, was dem Staat 13 Milliarden Pfund einbringen wird. Die Prognose für das Wachstum der britischen Wirtschaft für 2011 korrigierte Osborne nach unten: Statt 2,6 erwartet er nur 2,3 Prozent, in diesem Jahr werden es 1,3 Prozent sein.
Dem kleinen Koalitionspartner bereitet Osbornes Haushaltsplan einige Probleme. Im Wahlkampf hatte Liberalen-Chef Nick Clegg vor einer "Mehrwertsteuerbombe" und vor zu frühen Ausgabenkürzungen gewarnt, weil dadurch der wirtschaftliche Aufschwung untergraben und steigende Arbeitslosigkeit riskiert würde. So schickte Clegg am Montag vorsichtshalber eine Email an sämtliche Parteimitglieder, in der er den Haushaltsplan verteidigte: "Glaubt mir, die Alternative ist schlimmer."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?