piwik no script img

Britische Wirtschaft honoriert EWS-Beitritt

■ Seit Montag ist das britische Pfund im Europäischen Währungssystem

Brüssel (dpa/taz) — Die Kapitalmärkte reagierten sofort: Auf satte 3,05 DM sprang das britische Pfund am Montagmorgen, und auch die Aktienkurse zogen deutlich an. Das britische Pfund nimmt seit Wochenbeginn mit einem Leitkurs von 2,95 DM am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems (EWS) teil.

Die Finanzminister und Notenbankchefs der Europäischen Gemeinschaft billigten am Samstag den Beitritt Großbritanniens in einem schriftlichen Verfahren auf einstimmigen Vorschlag des EG-Währungsausschusses, der in Brüssel zuvor acht Stunden lang beraten hatte. Die Leitkurse der übrigen EG-Länder werden von dem Beitritt nur geringfügig berührt.

Dem Pfund wird „für eine Übergangszeit“ eine Bandbreite von sechs Prozent im EWS-Währungsgitter eingeräumt. Das heißt, der Wechselkurs kann vom Leitkurs plus/minus sechs Prozent abweichen, bevor die Zentralbanken stützend auf den Devisenmärkten eingreifen. Dieser Sonderstatus steht nur noch Spanien zu, das ebenso wie Großbritannien mit einer hohen Inflation zu kämpfen hat. Nach Angaben von Konferenzteilnehmern war diese breite Marge nicht umstritten. Die übrigen EWS- Währungen haben eine Bandbreite von 2,25 Prozent.

Die EG-Minister, Notenbankchefs und die EG-Kommission begrüßen aufrichtig den Beitritt des Pfund in das EWS, hieß es im Abschlußkommunique. Die Entscheidung sei ein bedeutender Fortschritt in der wirtschaftlichen und monetären Integration der Gemeinschaft. Man sehe darin „ein verstärktes Engagement der britischen Regierung, eine straffe antiinflationäre Politik mit angemessenen Mitteln und in Einklang mit der Disziplin des EWS zu führen“.

Hans Tietmeyer, Direktoriumsmitglied der Bundesbank, zeigte sich zufrieden darüber, daß Großbritannien sich einer stabilitätsorientierten Politik verpflichtet habe. Er erinnerte jedoch daran, daß „der Beitritt eines neuen großen Partners auch mit großen Anstrengungen für alle (EWS-Mitglieder) verbunden ist“. Die Erweiterung des EWS unterstreiche die Notwendigkeit für fortgesetzte Anstrengungen, das Gefälle zwischen den volkswirtschaftlichen Grunddaten der EG-Länder weiter abzubauen, hieß es sinngemäß auch in der Schlußerklärung.

Großbritannien erfüllt mit seiner Vollmitgliedschaft im EWS eine wichtige Voraussetzung für weitere Fortschritte zur europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Dies wurde wiederholt von verschiedenen Teilnehmern unterstrichen. Nunmehr fehlen nur noch Griechenland und Portugal im Wechselkursmechanismus des EWS.

EG-Kommissionspräsident Jacques Delors hat davor gewarnt, nach dem Beitritt Großbritanniens zum europäischen Wechselkursmechanismus die Entwicklung der Währungsunion zu verlangsamen. Er fürchte, daß das Argument kommen werde: „Jetzt können wir uns Zeit lassen“, sagte Delors in Venedig laut 'afp‘ bei einer Pressekonferenz im Anschluß an das informelle Treffen der Außenminister im norditalienischen Asolo. Die sechsprozentige Bandbreite für Schwankungen des Pfund-Wechselkurses zu anderen EG-Währungen bezeichnete Delors als zu hoch. Nur die Zukunft werde zeigen, ob der britische Beitritt nicht nur ein Vorwand für eine Verlangsamung der Integration gewesen sei.

Der EG-Kommissionspräsident unterstrich seine Warnung mit dem Hinweis darauf, daß das letzte Finanzministertreffen Anfang September in Rom den Einigungsprozeß „gebremst“ habe. Dabei hatte sich die deutsche Delegation gegen die Festlegung eines festen Zeitplans gewandt. Die Kommission will auf dem Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion ab 1. Januar 1993 mit dem Aufbau eines Europäischen Zentralbanksystems beginnen. Diese soll dann den ECU als gemeinsame Währung der Zwölf herausgeben.

Der Pfundbeitritt wird laut Delors stimulierend auf die Bekämpfung der Inflation und die Reduzierung des Außenhandelsdefizits in Großbritannien wirken. Dem müßten jedoch weitere innenpolitische Maßnahmen folgen. Die von Großbritannien vorgeschlagene Bandbreite von sechs Prozent für das Pfund im europäischen Wechselkursmechanismus lasse Frau Margaret Thatcher hingegen einen sehr breiten Spielraum für antiinflationäre Schritte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen