: Britische Wirtschaft bleibt desolat
■ Kursrutsch an der Londoner Aktienbörse / Schatzkanzler: Bei Inflationsbekämpfung versagt
Pessismismus über die wirtschaftliche Entwicklung in Großbritannien hat am Mittwoch zu einem Kurseinbruch an der Londoner Aktienbörse geführt. Der 'Financial-Times'-Index für 100 führende Aktien fiel kurz nach Börsenauftakt um zeitweise über 37 Punkte. London, Europas führender Finanzplatz, regaierte damit aber auch auf den beträchtlichen Kurseinbruch in Tokio, wo der Nikkei-Index zuvor um fast 500 auf 36.779 Punkte abgesackt war.
Die ungewöhnlich pessimistische Rede des Schatzkanzlers John Major am Vorabend hat in Großbritannien alle Hoffnungen auf eine baldige Senkung der extrem hohen Zinsen zunichte gemacht. „Die Zinssätze werden noch auf absehbare Zeit hoch bleiben, sagte Major. Er räumte ein, daß die Regierung von Premierministerin Thatcher bei ihrem wichtigsten wirtschaftspolitischen Ziel, der Inflationsbekämpfung, versagt hat. „Wir haben immer noch nicht die Inflationsmentaltität - den Fluch der 70er Jahre - aus unserer Wirtschaft ausgetrieben.“ Die Inflationsrate liegt derzeit bei 7,7 Prozent.
Zwei führende Bausparkassen haben angekündigt, daß die im Land der EigenheimbesitzerInnen politisch außerordentlich heiklen Hypothekenzinsen erneut angehoben werden müssen, wenn das Zinsniveau nicht bald zurückgeht. Dies hat Major aber ausgeschlossen. Die britische Wirtschaft und vor allem die vielen EigentümerInnen fremdfinanzierter Häuser leiden unter den Rekordzinsen. Mit 15 Prozent hat Großbritannien die höchsten Leitzinsen unter den großen Industrieländern. Eine nochmalige Anhebung wird nicht ausgeschlossen.
Selbst die Regierung rechnet nun damit, daß die Wirtschaft im laufenden Jahr nur mäßig wachsen wird. In der Industrie breitet sich die Sorge um eine echte Rezession aus. Die Industrieproduktion sank im letzten November um 0,7 Prozent.
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