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Archiv-Artikel

Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Auf den farbenprächtigen und wundersamen Landkarten, die Stephan Huber bei CUC Berlin zeigt, kann man einen Ozean überqueren, der nach Freud benannt ist, oder einen Pazifik, der Marx heißt; wobei es nicht so ist, dass die Kontinente richtig aneinandergekettet wären. Einen Seelenatlas bestaunt man da, ein Assoziationsgebirge, eine Kalauerweltkarte – und weil wir Kalauer mögen, überzeugt Hubers künstlerische Weltvermessung im biografischen Maßstab. Dass wir Hubers Kasperletheater mögen würden, wäre allerdings gelogen. In einem fein ziselierten Marionettenspiel taucht Kasperle dann auch bei Adorno am Frankfurter Institut für Sozialforschung, bei Valerie Solanas Attentat auf Andy Warhol oder bei der Manson Family, die Beach Boy Brian Wilson besucht, auf. Das könnte Zündstoff haben, doch versackt das 20-minütige Video „Love & Peace“ in einer bieder belehrenden Tour d’horizon durch sämtliche Schrecken der 68/69er-Jahre. Bei Jack Smith als pornografisch verfemtem Kultfilm „Flaming Creatures“ von 1962 hätte sich Kasperle bestimmt ganz schön erschreckt. Glücklicherweise war der studierte Mathematiker Tony Conrads, der den Soundtrack zu F. C. komponierte, geistesgegenwärtiger. Er hob die Filmschnipsel auf, die Jack Smith beim Schneiden des Films achtlos wegwarf, und deshalb kann man bei Daniel Buchholz jetzt Conrads „Re-Framing Creatures“ bewundern, fünf 16-mm-Loops, die er zwischen 1963 und 2009 kompilierte. Der experimentelle Videokünstler, Filmemacher und Soundkünstler verzichtet bei „Re-Framing Creatures“ auf eine eigene Interpretation, weil er, wie er sagt, dem neugierigen Jack-Smith-Fan die seltene Chance geben möchte, „to see every last remaining scrap of stolen Perutz Tropical Film that Jack shot for F. C.“ Und das ist dann ein anständiges Kasperletheater, wie es einem wirklich gefallen muss.

■ Stephan Huber, bis 13. 11., Di–Sa 11–18 Uhr, Charim Ungar Contemporary, Markgrafenstr. 68 ■ Tony Conrad: Re-Framing Creatures, bis 21. 11. Di–Fr 11–18, Sa 11–16 Uhr, Galerie Daniel Buchholz, Fasanenstr. 30